Wie gut informiert das Internet über Arzneimittel?

Studie zur Darstellung von Johanniskraut zeigt schwere Defizite auf / Kaum Information über Wechselwirkungen mit anderen Medikamenten

Welche Qualität hat die Information über Arzneimittel im Internet? Wissenschaftler der Abteilung Klinische Pharmakologie und Pharmakoepidemiologie an der Medizinischen Universitätsklinik Heidelberg (Ärztlicher Direktor: Prof. Dr. Walter Haefeli) haben zufällig ausgewählte englischsprachige Homepages analysiert und bewertet, die über Johanniskraut informieren, ein auch in Deutschland häufig angewendetes pflanzliches Arzneimittel gegen Depressionen.

Ihre Ergebnisse: Weniger als ein Viertel der Internetpräsentationen boten ausreichende und zuverlässige Informationen. Homepages, deren Betreiber kein kommerzielles Interesse an der Verwendung von Johanniskraut hatten, schnitten deutlich besser ab und sollten deshalb von Internet-Nutzern bevorzugt werden. Auch der Bezug auf wissenschaftliche Studien ist ein Qualitätsmerkmal. Die Heidelberger Studie, die vom Bundesministerium für Bildung und Forschung gefördert wurde, ist jetzt im „American Journal of Medicine“ erschienen.

Das Internet ist mittlerweile eine der wichtigsten Informationsquellen zu allen Fragen der Gesundheit. Problematisch ist nach wie vor die Qualität der Informationsangebote, da es keinerlei Kontrolle der eingespeisten Information auf Vollständigkeit, Einseitigkeit und Mängel gibt. Zwar können sich Anbieter freiwillig bestimmten Auflagen unterwerfen, die von nationalen wie internationalen Organisationen erarbeitet worden sind, z.B. im sogenannten „E-Health Code of Ethics“. Sie fordern klare Angaben zu allen Autoren, Informationsquellen sowie den Betreibern und der Finanzierung der Homepage. Doch haben sich diese bislang nicht als unverzichtbare Qualitätssiegel durchgesetzt.

Die Heidelberger Klinischen Pharmakologen untersuchten insgesamt 208 englischsprachige Websites zum Johanniskraut, da dessen Anwendung ohne die Beachtung bestimmter Informationen zu Komplikationen führen kann. „Johanniskraut beschleunigt den Abbau bestimmter Arzneimittel und kann dadurch ihre Konzentration und damit ihre Wirkung vermindern. Zum Beispiel kann es bei transplantierten Patienten, die das Medikament Ciclosporin einnehmen, zu Transplantatabstoßungen kommen“ erklärt Dr. Meret Martin-Facklam. Bei ihrer Analyse zogen die Wissenschaftler einerseits formale Kriterien heran, wie Nennung der Autoren und des Datums. Andererseits überprüften sie die inhaltliche Qualität, d.h. ob die korrekte Anwendung für Johanniskraut (Depression) und Wechselwirkungen mit anderen Arzneimitteln, z.B. orale Verhütungsmittel, und deren Konsequenzen erwähnt wurden.

„Nur 22 Prozent der Websites gaben an, dass die einzige wissenschaftlich belegte Indikation für Johanniskraut die Depression ist,“ sagt Dr. Martin-Facklam. „Ebenfalls 22 Prozent erwähnten wenigstens eine Wechselwirkung, nur zwei Seiten haben eine praktisch vollständige Liste der möglichen Wechselwirkungen aufgelistet.“ Internetseiten ohne kommerzielle Interessen und solche, bei denen die Informationsquelle in Form von wissenschaftlichen Studien aufgeführt ist, weisen eine höhere Qualität auf. Die Wissenschaftler stellten fest, dass auch bei der Arzneimittelinformation im Internet, ebenso wie in anderen Gesundheitsbereichen, erhebliche Defizite bestehen. „Gerade für Naturheilmittel wie Johanniskraut, die nicht verschreibungspflichtig sind und in anderen Ländern sogar unmittelbar über die Website angefordert werden können, ist korrekte und umfassende Information notwendig. Denn hier wird die Anwendung meist nicht mehr mit dem Arzt oder Apotheker besprochen“, sagt Dr. Martin-Facklam.

„Ob diese negative Beurteilung auch für andere Arzneimittel zutrifft, wissen wir noch nicht“, schränkt Prof. Dr. Walter Haefeli das Ergebnis der Studie ein. In einer zweiten Studie wird nun die Arzneimittelinformation zu dem verschreibungspflichtigen Potenzmittel Viagra untersucht. Erste Ergebnisse legen nahe, dass auch hier die Qualität der Information zu wünschen übrig lässt.

Ansprechpartnerin:

Dr. Meret Martin-Facklam
Medizinische Klinik und Poliklinik Universität Heidelberg
Abteilung Innere Medizin VI – Klinische Pharmakologie und Pharmakoepidemiologie
Bergheimer Straße 58, 69115 Heidelberg
Tel.: 06221 – 565218
E-Mail: meret_martin-facklam@med.uni-heidelberg.de

Media Contact

Dr. Annette Tuffs idw

Weitere Informationen:

http://www.med.uni-heidelberg.de

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