Fibroblasten-Wachstumsfaktor essentiell zur Dickdarmtumorentstehung

Auf histologischer Ebene zeigte sich, dass kolorektale Tumoren trotz identischer genetischer- und epigenetischer Alterationen der einzelnen Tumorzellen heterogen aufgebaut sind.

Eine kleine Zahl von Tumorzellen mit besonderen Eigenschaften findet sich an der infiltrativen Invasionsfront, die den Übergang vom Tumor in das normale umgebenden Gewebe repräsentiert. Diese Tumorzellen in dieser Region unterscheiden sich von der Hauptmasse der Tumorzellen, indem sie aus dem Gewebeverband ausbrechen und als einzelne Zellen auf die Wanderschaft (Migration) gehen können und dabei in das umgebende Gewebe eindringen

(Invasion).

Daher ist es nicht überraschend, dass die Zahl dieser Zellen mit einer geringen Überlebenserwartung gekoppelt ist. Daraus lässt sich schließen, dass diese Tumorzellen von klinischer Bedeutung sind und dass sie ein ideales Ziel für einen therapeutischen Angriff darstellen.

Was lässt diese Tumorzellen anders sein als die übrigen? Diese wenigen Tumorzellen exprimieren einen zentralen Faktor der kolorektalen Karzinogenese, beta-Catenin, im Zellkern. Hier wirkt es als Bestandteil eines mulitmeren Komplexes als Transkriptionsfaktor. beta-Catenin induziert eine Änderung des Genexpressionsprogramms, was zur Folge hat, dass die Tumorzellen umprogrammiert werden. Sie verlieren die Eigenschaft, miteinander verbunden im Gewebe zu wachsen (epitheliale Differenzierung) und wandeln sich stattdessen in einzeln wachsende Zellen (mesenchymale Differenzierung) um.

Diese sind in der Lage zu wandern und invadieren. Weiterhin ist die Kernexpression von beta-Catenin ein Indikator, dass es sich bei diesen wenigen Zellen um Tumorstammzellen handeln könnte. Denn die nukleäre Expression von beta-Catenin entspricht funktionell der Aktivierung des Wnt-Signalwegs, einer Eigenschaft von normalen Stammzellen. Experimentell steht der Nachweis von Tumorstammzellen jedoch noch aus.

Ein Hinweis hierfür wäre, dass diese Zellen Faktoren bilden, die für den Erhalt von Tumorstammzellen und Stammzellen von Bedeutung sind. Denn diese Zellen leben abseits von der Stammzellnische, die die normalen Stammzellen mit allen für das Überleben essentiellen Faktoren versorgt. Wenn diese Faktoren jedoch essentiell sind, dann stellt es eine praktische Notwendigkeit dar, dass Tumorstammzellen diese Faktoren selber herstellen müssen, da es unwahrscheinlich ist, dass diese Faktoren auf allen Stufen der Ausbildung von Metastasen, von Nachbarzellen (bystander) bereitgestellt werden. Einer dieser essentiellen Faktoren ist FGF-2 (fibroblast growth factor-2, Fibroblasten Wachstumsfaktor-2).

Wir konnten in durch die Wilhelm Sander-Stiftung unterstützten Studien zeigen, dass FGF-2 in diesen wenigen Tumorzellen der Tat durch beta-Catenin angeschaltet wird. Daher findet sich FGF-2 in den wenigen Tumorzellen der Invasionsfront, aber nicht oder nur in geringen Mengen in den übrigen Tumorzellen. Zellen mit der Expression von FGF-2 können in Mäusen Tumore bilden (Abbildung). Die Zellen ohne oder nur mit geringen Mengen an FGF-2 sind hierzu jedoch nicht in der Lage.

Unsere Daten unterstützen das Modell der Tumorstammzellen und zeigen darüber hinaus, dass es sich bei den wenigen Tumorzellen der infiltrativen Invasionsfront kolorektaler Tumore um Tumorstammzellen handeln könnte. Diese Kombination an Eigenschaften macht die Zellen der Invasionsfront einzigartig. Und genau in dieser Einzigartigkeit liegt ihre Achilles-Ferse, ein Angriffspunkt diese mit geringem Überleben in Zusammenhang stehenden Tumorzellen zu töten, also kolorektale Tumoren therapieren zu können.

Für diese Arbeiten wurde Silvio Scheel, dem Doktoranden, der diese Arbeiten durchführt, auf der 101. Jahrestagung der American Association for Cancer Research in San Diego, U.S.A. der Young Investigator Award verliehen.

Der Autor, PD Dr. Andreas Jung, leitet am Pathologischen Institut der Ludwig-Maximilians Universität die Forschungsgruppe Tumormorphogenese. Für weitere Kontakte wenden Sie sich bitte über e-mail – andreas.jung@med.uni-muenchen.de- an Dr. Jung.

Die Wilhelm Sander-Stiftung förderte das Forschungsprojekt bislang mit 155.000 € und wird dies in einer weiteren Förderperiode mit darüber hinausgehenden Mitteln finanzieren. Stiftungszweck der Stiftung ist die medizinische Forschung, insbesondere Projekte im Rahmen der Krebsbekämpfung. Seit Gründung der Stiftung wurden dabei insgesamt über 160 Mio. Euro für die Forschungsförderung in Deutschland und der Schweiz bewilligt. Die Stiftung geht aus dem Nachlass des gleichnamigen Unternehmers hervor, der 1973 verstorben ist.

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Bernhard Knappe idw

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