Verlässliche Lebensader

Total mobil und alles im Blick: Mit Bilderkennung und Laserscanner belegt ein Sechsachs-Knickarmroboter selbständig das Kaltwalzlager eines belgischen Stahlproduzenten. Für seine freie Beweglichkeit sorgt eine Energieführung von Kabelschlepp.

Mächtige graue Stahlcoils stapeln sich, so weit das Auge reicht. Fast 1.000 dieser aufgerollten Stahlbänder mit einem Gewicht von jeweils maximal 35 Tonnen lagern auf einem Gelände von der Größe zweier Fußballfelder. Dieses Umschlaglager mit einer Kapazität von 25.000 Tonnen Stahl ist Dreh- und Angelpunkt zwischen der Warm- und der Kaltwalzstraße von ArcelorMittal Gent. Bis zu drei Tage lang kühlen die mit 500 Grad Celsius vom Warmwalzen kommenden Stahlcoils hier aus, bevor sie in der Kaltwalzanlage weiterverarbeitet werden oder zum Weitertransport auf Waggons verladen werden. Vom Boden aus ist kaum eine Lücke zu sehen. Nur vom großen gelben Portalkran aus, der das Lager überspannt, behält man den Überblick – aber niemand ist drin. Der Kran bewegt sich mannlos, nimmt Coil für Coil selbständig auf und lädt sie punktgenau zwischen anderen Stahlrollen oder auf bereitstehenden Eisenbahnwaggons ab. Zielsicher findet er ihre genaue Position oder freie Lagerplätze – eine Herausforderung, denn der Abstand zwischen den einzelnen Bahnwagen ist nicht immer gleich. Das zielgenaue Aufnehmen und Absetzen der Coils funktioniert automatisch: Aus einer Abstandsmessung per Laser, einem Bilderkennungssystem und der Bewegung des Roboters fertigt ein Sensor ein 3D-Bild der Umgebung, erkennt fragliche Positionen und leitet diese Informationen an die Kransteuerung weiter. Ein Fanuc Robotics M 16IB/10L Knickarmroboter, etwa zwei Meter vor dem Greifer des Brückenkrans montiert und mit dessen Horizontalbewegungen synchronisiert, trägt den Sensor. Sechs Freiheitsgrade sorgen dabei für die volle Beweglichkeit des Roboters und damit für den vollen Überblick.

Beweglich und zuverlässig

Für die Mobilität des Roboters sorgt eine flexible Energieführung: Robotrax, die als offenes System ausgelegte 3D-Energieführung aus Spezialkunststoff vom Siegener Unternehmen Kabelschlepp. Der Hersteller konzipierte Robotrax speziell für dreidimensionale Arbeitsprozesse wie Schwenk- und Drehbewegungen von Industrierobotern und Handlingsystemen. Zuverlässigkeit ist auch bei dieser Anwendung oberstes Gebot: Würde das Kransystem ausfallen und das Coillager für einen Tag lahmgelegt, kostete das den Stahlproduzenten riesige Summen. Deshalb ist die Verlässlichkeit sowohl der gesamten Anlage als auch der Einzelkomponenten entscheidend. Robotrax ist sozusagen die Lebensader des Systems und entscheidend für die Beweglichkeit des Roboters; sie versorgt sowohl seine Energieversorgung als auch die Datenübertragung und gibt höchstmöglichen Freiraum.

Einzelne ringförmige Kettenglieder aus langlebigem Spezialkunststoff können – auf beiden Seiten mit kugelförmigen Schnappverbindungen versehen – zu einer beliebig langen Energieführung verbunden werden. Der Innenraum ist in drei gleich große Kammern aufgeteilt; somit können verschiedene Leitungen separiert und sicher geführt werden, auch wenn die Durchmesser der einzelnen Leitungen unterschiedlich sind. Integrierte Krümmungsradiusanschläge sorgen dafür, dass die Roboterbewegung den Krümmungsradius in keiner Richtung unterschreitet. Das schont die mitgeführten Daten- und Energieleitungen. Deren Einlegen in die Robotrax-Führungen ist einfach und anwenderfreundlich: Der Ring der Kettenglieder ist an drei Stellen jeweils über den einzelnen Kammern mit einem Durchbruch versehen. Der Anwender kann ganz einfach die Energie- oder Datenkabel durch den Schlitz in die Führung drücken oder herausziehen – das erspart zeitaufwändiges Einfädeln und Spezialwerkzeuge. Leitungen können schnell und kostengünstig ausgetauscht oder hinzugefügt werden. Selbst einbaufertig konfektionierte Leitungen mit Steckverbindungen lassen sich durch die besondere Konstruktion der Kettenglieder problemlos verlegen. In dem offenen System sind sie außerdem gut sichtbar. Das erleichtert die präventive Kontrolle der Leitungen und Steckverbindungen. Darüber hinaus ist das gesamte Robotrax-Energieführungssystem rasch auswechselbar: einfach die zum System gehörenden Schnellspanner öffnen, das alte System entnehmen und ein neues einlegen, fertig.

Preisgekrönt und belastbar

Robotrax ist gut an schnelle Bewegungen, hohe Beschleunigungen und dadurch entstehende große Zugkräfte eines Knickarmroboters anpassbar: Durch die Mittelbohrung der einzelnen Kettenglieder zieht sich ein Stahlseil, das jeweils an den Enden der Energieführung fixiert ist und die Kraftübertragung übernimmt. Damit sind nicht nur Beschleunigungen mit mehr als zehn g realisierbar: Die Stahlseele verhindert auch ein Ausleiern der Schnappverbindungen zwischen den einzelnen Kettengliedern. Das erhöht die Lebensdauer der Robotrax-Energieführung nahezu unbegrenzt – selbst nach Millionen von Bewegungszyklen ermüden sie nicht. Je nach Leitungsdurchmesser und -belegung macht Robotrax radiale Verdrehungen bis zu plus/minus 450 Grad pro Meter mit. Der Spezialkunststoff behält seine Eigenschaften in einem Temperaturbereich von minus 20 bis plus 70 Grad Celsius und ist damit für die Anwendung im Freien oder in unklimatisierten Hallen geeignet. Der Hersteller bietet das System in fünf unterschiedlichen Größen mit Außendurchmessern von 40 bis 100 Millimetern für Kabeldurchmesser von drei bis 27 Millimeter an. Ein umfangreiches Zubehörsortiment aus Schnellspannern, Hitzeschutzhüllen, Anschlagschutz und vielem mehr rundet das Produktprogramm ab. Robotrax überzeugte auch die Experten des International Forum Design aus Hannover: Sie verliehen der 3D-Energieführung den iF Design product award 2006.

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