Forschung braucht den Riesenrechner

Die Universität Bayreuth nahm am Donnerstag einen Linux-Cluster für High Performance Computing in Betrieb. Er dient den Wissenschaftlern Professor Martin V. Axt, Professor Stephan Kümmel und Professor Walter Zimmermann aus dem Bereich der Theoretischen Physik, dem Professor für Biogeografische Modellierung Björn Reineking sowie Professor Henri Samuel und Dr. Gerd Steinle-Neumann vom Bayerisches Geoinstitut zur Bearbeitung ihrer wissenschaftlichen Projekte.

Die Investition für den Großrechner liegt bei 570.000 Euro. An der Inbetriebnahme nahmen Vizekanzlerin Ricarda Rabenbauer und Professor Stefan Jablonski, Inhaber des Lehrstuhls Angewandte Informatik IV und Vizepräsident für Lehre und Studierende, teil.

Wie der Leiter des Rechenzentrums der Universität Bayreuth, Dr. Andreas Grandel, erklärte, arbeiten High-Performance-Computing-Cluster (HPC-Cluster) riesige und hochkomplexe Rechenaufgaben ab. „Entweder werden die Aufgaben in verschiedene Pakete aufgeteilt und parallel auf mehreren Rechenknoten des Clusters ausgeführt. Oder die Rechenaufgaben, wir sprechen von Jobs, werden auf die einzelnen Knoten verteilt“, so Grandel. HPC-Cluster eignen sich daher besonders für die Berechnung wissenschaftlicher Probleme, die parallelisierbar sind.

Im Jahr 2008 hatte die Universität Bayreuth zunächst zwei Großgeräteanträge für je einen Linux-Cluster bei der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) eingereicht. In ihrem Begutachtungsverfahren regte die DFG an, die getrennten Anträge zusammenzufassen und unter die Federführung des Rechenzentrums zu stellen. „Wir haben diesen Vorschlag gerne aufgegriffen. Dadurch entstehen Synergien“, so Grandel.

Die wichtigsten:

Den Wissenschaftlern steht mit der Zusammenfassung ein weitaus größerer HPC-Cluster für die Lösung ihrer wissenschaftlichen Probleme zur Verfügung.

Ein Cluster kann besser ausgelastet werden. Freie Kapazitäten werden anderen Arbeitsgruppen zur Verfügung gestellt.

Das Rechenzentrum stellt sicher, dass jede Arbeitsgruppe die ihr zustehende Mindestrechenleistung erhält.

Der Anteil des Rechenzentrums wird auch den nicht am Antrag beteiligten Wissenschaftlern zur Bearbeitung ihrer wissenschaftlichen Projekte zur Verfügung gestellt.

Ausschreibung und Beschaffung sind zusammengefasst worden und mussten nur einmal vorbereitet und abgewickelt werden.

Das Rechenzentrum entlastet die Wissenschaftler von Arbeiten in der Informationstechnik, die nicht zu ihren wissenschaftlichen Kernaufgaben gehören.

Der HPC-Cluster hat eine Leistungsaufnahme von 40 Kilowatt. Das entspricht dem durchschnittlichen Strombedarf von 90 Drei-Personenhaushalten. „Für die Kühlung des Clusters ist noch einmal der gleiche Energieaufwand notwendig“, erklärte der Leiter des Rechenzentrums. „Die Universität hat damit für den Betrieb des Clusters 85.000 Euro jährlich an Energiekosten zu tragen.“ Eine ausreichende Kühlung zu gewährleisten, stellt bei HPC-Cluster eine echte Herausforderung dar. Die Cluster werden in wassergekühlten Schränken betrieben. Allein der Anschluss der Schränke an das Kühlwassernetz kostete 60.000 Euro.

High Performance Computing ist für die Bearbeitung wissenschaftlicher Probleme in vielen Forschungsbereichen zwingend und daher längst auch Thema bei Berufungsverhandlungen von Professoren. Bereits jetzt liegen Berufungszusagen für weitere Cluster im Gegenwert von 1,5 Millionen Euro vor. Nicht allein das viele Geld macht die Dimension der Herausforderung aus. Erneut ist es die Kühlung, die die technische Verantwortlichen im Blick haben: Die kommenden Cluster kühl zu halten, wird in dem vorhandenen Systemraum nicht mehr möglich sein. Grandel: „Wir haben daher die Hoffnung, dass ein weiterer Rechenraum mit einer Kühlleistung von 250 Kilowatt im Neubau NW III entstehen wird.“

Hintergrund: Nutzen des neuen Clusters

Auf dem Weg zur Plastikelektronik

Der Lehrstuhl Theoretische Physik IV von Professor Stephan Kümmel wird den neuen Cluster zur Untersuchung von Molekülen und Festkörpern mit Hilfe der Dichtefunktionaltheorie einsetzen. Eines der Ziele ist das Verständnis molekularer Systeme, die effizient Licht absorbieren und die dabei eingefangene Energie weiterleiten können. Solche sogenannten molekularen Donor-Akzeptor-Systeme werden an der Universität Bayreuth intensiv untersucht, wobei es auch darum geht, effiziente Solarzellen auf Kohlenstoffbasis („Plastikelektronik“) herstellen zu können.

Ein weiterer Forschungsschwerpunkt der Arbeitsgruppe ist es, die Eigenschaften sogenannter Nanolegierungen zu verstehen. Das sind Teilchen, die aus einigen zehn bis einigen hundert Atomen zweier unterschiedlicher Metallsorten bestehen. Solche Teilchen können aufgrund ihrer geringen Größe und den daher zum Tragen kommenden Quanteneffekten spezielle Eigenschaften haben. So sind Nanolegierungen aus Gold und Platin zum Beispiel hervorragende Katalysatoren. Langfristig hofft man, mit solchen Nanoteilchen den Einsatz von unter Umweltaspekten problematischen Lösungsmitteln in der Chemie zu reduzieren. Professor Kümmel: „Dem neuen Rechencluster wird bei diesen Forschungsarbeiten eine wichtige Rolle zukommen.“

Blick in den Bauch der Erde

Professor Henri Samuel und Dr. Gerd Steinle-Neumann, beide am Bayerischen Geoinstitut, untersuchen in ihrer Forschung den Aufbau des Erdinnern mit Hilfe von Computersimulationen. Samuel nutzt Strömungsdynamik, um Verformung von Erdmaterialen und damit Materialfluss über hunderte Millionen von Jahren zu simulieren. Solche Arbeiten führen zu einem besseren Verständnis von Plattentektonik, sowie der thermischen Entwicklung der Erde über die 4,5 Milliarden Jahre ihrer Existenz. Steinle-Neumann simuliert mit Hilfe von Methoden aus der Festkörperphysik die Struktur und physikalische Eigenschaften von Erdmaterialien unter hohem Druck, wie sie im Erdinneren herrschen. Mit solchen Ergebnissen kann man den Aufbau des Erdinnern, wie er etwa in der Seismologie bestimmt wird, interpretieren.

Mehr als die Summe seiner Teile

Der Lehrstuhl für Theoretische Physik I von Professor Walter Zimmermann wird den neuen Cluster zur Untersuchung von Bewegungsformen von Nanoteilchen in Flüssigkeiten und zur Aufklärung allgemeiner Prinzipien der Selbstorgani-sation in der belebten und unbelebten Natur einsetzen.

Das Zappeln von Nanoteilchen in einer Lösung ist als Brownsche Bewegung bekannt. Werden Nanoteilchen, wie etwa DNS-Fragmente, in einer Flüssigkeit gelöst und durch hauchdünne Röhrchen transportiert, wie es in der Biotechnologie geschieht, so gibt es überraschende und noch vielfach unverstandene Verhaltensweisen. Die Aufklärung der dabei wirkenden physikalischen Mechanismen mittels Computersimulation ist eines der Ziele.

Ein weiteres Forschungsgebiet ist die Aufklärung von Prinzipien der Selbstorganisation in der Natur. Wie verhält sich eine Ansammlung von Biomolekülen, die durch Nanomotoren angetrieben zu schwarmähnlichem Verhalten führt? Folgt diese Selbstorganisation den gleichen Prinzipien wie bei anderen Musterbildungsprozessen oder bei Bakterienschwärmen? Wie beeinflussen doppelgesichtige Nanoteilchen Mischungen von zwei Flüssigkeiten und lassen sich damit neue Materialien schaffen? Dies sind einige Fragestellungen, für deren Aufklärung der Computercluster eingesetzt wird.

Technische Informationen zum HPC-Cluster:

Der neue HPC-Cluster besteht aus 142 Re-chenknoten. Die Interprozesskommunikation zwischen den Rechenknoten findet mit einer Datenrate 40 Giga-Bit pro Sekunde statt. Jeder Rechenknoten verfügt über je zwei Nehalem-Prozessoren mit je vier Rechnerkernen und 24 Giga-Byte Hauptspeicher. Das bedeutet in der Summe 1136 Rechnerkerne und 3,4 Terra-Byte Hauptspeicher. Zum Vergleich: Im Jahr 2000 wurde im Rechenzentrum der Universität Bayreuth ein Datenarchiv in Betrieb genommen, das die gleiche Plattenkapazität wie der Hauptspeicher des neuen HPC-Cluster hatte.

Kontakt:
Pressestelle der Universität Bayreuth
Frank Schmälzle
Telefon 0921/555323
E-Mail pressestelle@uni-bayreuth.de

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Weitere Informationen:

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