Mit Massy geht das Lispeln weg

Er spricht und singt, und auch wenn er seine Zunge zeigt, ist das keine Ungehörigkeit, sondern eine hilfsbereite Geste. Kinder sind begeistert von ihm und Logopäden auch. Die Rede ist von Massy, einem dreidimensionalen Kopf, der nur im Computer lebt, und vor fünf Jahren von Sascha Fagel am Institut für Sprache und Kommunikation der TU Berlin erschaffen wurde.

Massy steht für „Modularer Audiovisueller Sprachsynthesizer“ und ist Dreh- und Angelpunkt eines Forschungsprojektes, gefördert vom Bundesforschungsministerium, in dem es darum geht, zukünftige Entwicklungen von computeranimierten Sprechbewegungen in realen Anwendungen aufzuzeigen.

Die beiden Kommunikationswissenschaftler Dr. Sascha Fagel und Katja Grauwinkel haben nun nachgewiesen, dass mit diesem virtuellen Kopf Sprechstörungen therapiert werden können. Der Grund: Bei Massy werden die zur Lautbildung notwendigen Organe, die verborgen im Mund liegen, sichtbar gemacht. Diese Visualisierung hilft, Laute und Lautfolgen richtig auszusprechen.

„Unsere These war, dass durch die Sichtbarmachung der versteckten Artikulatoren wie Zungenspitze, Zahndamm, Gaumensegel und Rachenwand und deren Stellung bei der Bildung ganzer Lautfolgen, Fehler bei der Lautproduktion korrigiert werden können“, sagt Fagel und ergänzt, „so wie man einen Menschen besser versteht, wenn man 'von seinen Lippen liest', fällt Menschen mit einem Sprechfehler das Erlernen der richtigen Aussprache leichter, wenn sie sehen, wie zum Beispiel die Zungenspitze sich bei dem Wort 'Nase' bewegen muss.“

Die beiden Wissenschaftler konnten nachweisen, dass Massy ein nützliches Instrument für die Arbeit der Logopäden ist. „Unsere Ergebnisse in Berliner Praxen machen deutlich, dass bereits kurze Übungsphasen mit Massy bei Kindern mit schwach oder stark ausgeprägtem s-Fehler zu einer deutlichen Verbesserung der Lautproduktion führen. Das sogenannte Lispeln geht zurück, die Aussprache wird hörbar besser, weil die Kinder sehen und nachahmen, in welcher Position die Zungenspitze sein muss, um nicht zu lispeln und wo sie sich befindet, wenn man lispelt“, erklärt Katja Grauwinkel. Viele Laute und Lautfolgen werden wesentlich im Innenraum des Mundes gebildet und sind deshalb durch den Logopäden nicht sichtbar zu machen.

Was er lediglich zeigen kann, sind Laute wie beispielsweise m, b oder p, die von den Lippen gebildet werden. Die Erzeugung der Laute g, k oder r dagegen kann nur unvollkommen mit statischen Bildern visualisiert werden. Massy nun ermöglicht die dreidimensionale Darstellung, wie solche „versteckten“ Laute und Lautfolgen mit den Artikulatoren geformt werden und das auch noch in der Bewegung.

Sascha Fagels und Katja Grauwinkels Forschungen bestätigen, dass die Visualisierung des Sprechens zu einer Verbesserung der Verständlichkeit führt. Deshalb könnte Massy nicht nur in logopädischen Praxen, sondern auch an Orten mit einer geräuschvollen Umgebung zum Einsatz kommen wie zum Beispiel auf Bahnhöfen. Dort, wo jetzt Lautsprecher zu sehen sind, würde Massy die Ankunft eines Zuges ankündigen. Die Reisenden würden Massys Stimme nicht nur hören, sondern ihn auch beim Sprechen sehen „und deshalb die Ansage auch bei gleichzeitig einfahrenden Zügen besser verstehen“, sagt Sascha Fagel. Katja Grauwinkel und er testen dies gerade zusammen mit der Deutschen Bahn in Berlin.

Weitere Informationen erteilen Ihnen gern: Dr. Sascha Fagel und Katja Grauwinkel M.A., Institut für Sprache und Kommunikation, Fachgebiet Kommunikationswissenschaft, TU Berlin, Tel.: 030/314-24527, Fax: 030/314-79883, E-Mail: sascha.fagel@tu-berlin.de, katja.grauwinkel@tu-berlin.de

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