Psychologen erforschen Gehgeschwindigkeiten in 20 deutschen Städten

Es gibt Menschen, die hetzen täglich von Termin zu Termin. Andere haben Depressionen und schleppen sich förmlich durchs Leben. Und dann gibt es beispielsweise Menschen, die haben gute Laune und gehen im Sturmschritt durch die Welt. Alle gemeinsam bestimmen sie das Lebenstempo der Stadt, in der sie leben.

Eine der bisher aufwändigsten Studien zur Untersuchung der Gehgeschwindigkeit in deutschen Städten zeigt, dass es beim Lebenstempo regionale Unterschiede gibt. Forscher der Professur Wirtschafts-, Organisations- und Sozialpsychologie der TU Chemnitz beobachteten etwa 6.000 Passanten in zwanzig Städten der Bundesrepublik. Wichtige Erkenntnisse lassen sich bereits jetzt zusammenfassen: „In Hannover und Dresden ist die Gehgeschwindigkeit am höchsten – hier finden wir die deutschen Schnellgeher. Etwas gemütlicher geht es in Trier und Saarbrücken zu“, berichtet Dr. Olaf Morgenroth, der die Studie leitet. Das Resümee der im April des vergangenen Jahres begonnenen Studie: Auch wenn die Unterschiede nicht dramatisch ausfallen, so sind sie doch nicht zufällig. So stellten die Chemnitzer Psychologen fest, dass von Norden nach Süden die Gehgeschwindigkeit tendenziell abnimmt. Zwischen den neuen und den alten Bundesländern gab es keinen bedeutsamen Unterschied. In größeren Städten gehen die Menschen tendenziell schneller als in kleineren Städten. Ferner konnte allgemein festgestellt werden, dass Frauen etwas langsamer als Männer gehen und ältere Menschen deutlich langsamer als jüngere Menschen gehen.

Die Chemnitzer Forscher haben noch weitere Ergebnisse gewonnen, indem ein Teil der Passanten anhand eines Fragebogens interviewt wurde. Dazu Dr. Morgenroth: „Wie schnell wir gehen, ist nicht nur eine Frage der persönlichen Fitness oder des Alters. Wer depressiv gestimmt ist oder der Zukunft wenig Bedeutung beimisst, geht langsamer. Wer stets zu den Besten gehören will und sein persönliches Glück für das wichtigste hält, geht schneller.“ Das treffe auch auf besonders unter Zeitdruck stehende und damit herzinfarktgefährdete Menschen zu. Die Geschwindigkeit des Gehens ist nicht nur eine physikalische Größe, sie hängt zu einem gewissen Teil auch mit subjektiven Stimmungen, sowie mit der Bevorzugung bestimmter Werte und Einstellungen zum Leben zusammen. „Man könnte auch sagen das Gehen spiegelt das allgemeine Lebenstempo wieder, in dem ein Mensch lebt und in dem er kulturell verankert ist“, erklärt der Leiter der Studie.

Schwierig zu beantworten ist die Frage, ob ein hohes oder doch eher ein niedriges Lebenstempo besser wäre. „Einerseits konnten wir feststellen, dass in Städten mit höherem Lebenstempo altersbereinigt mehr Menschen an Herzgefäßerkrankungen sterben, andererseits scheint dort aber die Lebenszufriedenheit etwas höher zu sein“, berichtet Dr. Morgenroth.

Die Chemnitzer Studie bestätigt damit Untersuchungen des Verhaltensforschers Klaus Atzwanger der Universität Wien und des amerikanischen Psychologen Robert Levine von der California State University, die in der Vergangenheit ähnliche Studien durchführten.
Die mittlere Gehgeschwindigkeit in den 20 untersuchten deutschen Städten beträgt

1,49 m/s: Dresden, Hannover
1,48 m/s: Stuttgart
1,47 m/s: Jena, Göttingen, Oldenburg, München, Hamburg
1,46 m/s: Freiburg, Leipzig
1,45 m/s: Bremen
1,44 m/s: Chemnitz, Osnabrück, Augsburg
1,43 m/s: Halle
1,42 m/s: Frankfurt, Karlsruhe, Passau
1,39 m/s: Saarbrücken
1,38 m/s: Trier

Weitere Informationen zu den lokalen Besonderheiten der Gehgeschwindigkeit in diesen deutschen Städten erteilt:

Dr. Olaf Morgenroth
Telefon (03 71) 5 31 – 63 12
E-Mail: olaf.morgenroth@phil.tu-chemnitz.de

Media Contact

Dipl.-Ing. Mario Steinebach TU Chemnitz

Weitere Informationen:

http://www.tu-chemnitz.de

Alle Nachrichten aus der Kategorie: Gesellschaftswissenschaften

Der neueste Stand empirischer und theoretischer Erkenntnisse über Struktur und Funktion sozialer Verflechtungen von Institutionen und Systemen als auch deren Wechselwirkung mit den Verhaltensprozessen einzelner Individuen.

Der innovations-report bietet Ihnen hierzu interessante Berichte und Artikel, unter anderem zu den Teilbereichen: Demografische Entwicklung, Familie und Beruf, Altersforschung, Konfliktforschung, Generationsstudien und kriminologische Forschung.

Zurück zur Startseite

Kommentare (0)

Schreiben Sie einen Kommentar

Neueste Beiträge

Chemischer Seiltrick auf molekularer Ebene

Mechanismusforschung hilft, wenn „Trial & Error“ versagt. In den meisten industriellen chemischen Reaktionen verbinden sich Katalysatoren mit den Ausgangsstoffen und begleiten sie über Zwischenstufen zum Produkt. Dieser Weg wird in…

Biomarker für Therapie-Erfolg bei Tumorerkrankung im Knochenmark identifiziert

Hochrangige klinische Studie zu CAR-T-Zelltherapie beim Multiplen Myelom. Die CAR-T-Zelltherapie hat sich als wirkungsvolle Behandlung verschiedener hämatologischer Krebserkrankungen etabliert. Doch nicht bei allen Erkrankten schlägt die Therapie gleich gut an….

Neue universelle lichtbasierte Technik zur Kontrolle der Talpolarisation

Ein internationales Forscherteam berichtet in Nature über eine neue Methode, mit der zum ersten Mal die Talpolarisation in zentrosymmetrischen Bulk-Materialien auf eine nicht materialspezifische Weise erreicht wird. Diese „universelle Technik“…

Partner & Förderer