Schweiz ist auch bezüglich Hauptstadt ein Sonderfall

Hauptstädte sind Standorte für nationale und politische Institutionen (Legislative, Exekutive und oft auch Judikative). Sie sind aber auch Standorte für private Akteure, die eng mit den Akteuren aus Politik und Verwaltung zusammenarbeiten. Ausserdem siedeln sich in Hauptstädten diverse Nichtregierungsorganisationen, Verbände und Lobbyisten an.

Durch die Vernetzung dieser Akteure entsteht ein spezielles Wertschöpfungssystem. «Dieses zeichnet sich nicht unbedingt über seine wirtschaftliche Dynamik, Innovationskraft oder internationale Orientierung auf globalen Finanz- und Kapitalmärkten aus – sondern eher subtil über die Funktionen und Bezüge der Akteure untereinander, die prägend sind für das Wohl einer Nation», sagt Prof. Heike Mayer vom Geographischen Institut und des CRED (Center for Regional and Economic Development) der Universität Bern.

Die Gruppe Wirtschaftsgeographie und Regionalforschung am Geographischen Institut analysierte im Auftrag des Vereins Hauptstadtregion Schweiz das Wertschöpfungssystem des Schweizer Politzentrums. In Zusammenarbeit mit dem Institut für Tourismus an der Fachhochschule Westschweiz / Wallis untersuchten die Forschenden die ökonomischen Funktionen und Potenziale der Hauptstadtregion.

Die «aufgeteilte» Hauptstadt
Die Studie kommt zum Schluss, dass zentrale Hauptstadtfunktionen wie Beratungsdienstleistungen für die öffentliche Verwaltung, wertschöpfende Interaktionen zwischen Politik, Verwaltung und Dienstleistungsfirmen, Lobby-Büros und anderen in Bern und in den unmittelbar umliegenden Gemeinden konzentriert sind. Die Bundesstadt ist somit die «Drehscheibe», «Bühne» und «Schnittstelle» zwischen Politik, Verwaltung, Wirtschaft und Gesellschaft und erfüllt somit zentrale Aufgaben für das politische, wirtschaftliche und soziale Leben der Schweiz.

Aber: Viele dieser Funktionen sind in der Schweiz auch auf andere Metropolitanräume wie Zürich und Genf verteilt. «Man kann von einer polyzentralen Verteilung vieler Hauptstadtfunktionen sprechen», meint Mayer. So sind zum Beispiel wichtige Verbände (etwa Economiesuisse und Avenir Suisse) oder Medienorganisationen in Zürich angesiedelt. Damit ist die Schweiz und auch die Bundesstadt Bern aufgrund der kurzen Distanzen im internationalen Vergleich ein Sonderfall.

Auch die Hauptstadtregion selbst erstreckt sich über Bern hinaus. Eine Wertschöpfungsanalyse für die Kantone Fribourg und Wallis zeigt, dass diese als Wohn-, Bildungs- und Freizeitorte wirtschaftlich profitieren und hiermit auch einen wichtigen Beitrag zur Hauptstadtregion leisten.

Empfehlungen: Kompetenzen stärken, Image verbessern, Innovationen wagen
Aus einer Fallstudie über andere Hauptstädte wie etwa Washington D.C. leiteten die Forscher Handlungsempfehlungen für den Verein Hauptstadtregion ab: Etwa, dass die Hauptstadtregion Schweiz die hauptstadtspezifischen Kompetenzen stärken und ausbauen solle. Weiter müsse sie ihr Image verbessern und klar aufzeigen, was sie den anderen Metropolitanräumen bietet und wo sie eine nationale Schnittstellen-Funktion wahrnimmt. Darüber hinaus solle sich der Verein dafür einsetzen, dass die Innovationsfähigkeit und unternehmerische Dynamik in diesem Raum gefördert wird – durch eine Wirtschaftspolitik, die typische «Hauptstadt-Kompetenzen» stärkt wie zum Beispiel Informations- und Kommunikationstechnologien, eGovernment oder Public Management. Schliesslich solle der Verein die funktionalen Verflechtungen innerhalb der Hauptstadtregion sowie die Beiträge der Teilräume an die Hauptstadtregion (wie etwa das Wallis) besser nutzen und kommunizieren. Laut den Forschenden können diese Strategien nur dann Erfolg haben, wenn die unterschiedlichen Partner innerhalb der Hauptstadtregion zusammenarbeiten.

Die Forscherteams an der Universität Bern werden in den kommenden Monaten den Dialog rund um das Thema Hauptstädte fortsetzen. Im Rahmen der Vorlesungsreihe des «Collegium Generale» werden Politikerinnen und Wissenschaftler zur Hauptstadtregion und zu anderen Hauptstädten referieren.

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