Wie das Wissen in der Technik entsteht

Das Wissen in der Technik wird oft direkt in der Konstruktion gewonnen. Computerbasierte Konstruktionswerkzeuge wie CAD-Programme im Maschinenbau spielen dabei häufig eine Schlüsselrolle. Mit ihrer Hilfe wird technikwissenschaftliches Wissen generiert, und sie machen in ihrer Handhabung das gewonnene Wissen wieder verfügbar. Aber sie sind nicht die einzige Quelle technischer Erkenntnisse.

Den Umgang mit Wissen in den Technikwissenschaften untersucht nun ein interdisziplinäres Verbundprojekt, das von der Deutschen Forschungsgemeinschaft für drei Jahre mit 1,4 Millionen Euro gefördert wird.

Verschiedene Fallstudien werden die Grundlagen der Wissensentstehung in der Technik aus geistes-, sozial- und wirtschaftswissenschaftlicher Perspektive beleuchten und Erkenntnisse liefern für die Entwicklung eines Modells zur Generierung von Wissen in der Technik und dessen Integration in Industrie und Gesellschaft. Das Projekt startete offiziell im Juli 2016. Sprecherin ist Dr. Sabine Ammon vom Fachgebiet Arbeitslehre/Technik und Partizipation der TU Berlin.

In sechs Teilprojekten, zwei davon assoziiert, wollen mehrere Fachgebiete der TU Berlin die Wissensdynamik in den Technikwissenschaften interdisziplinär erforschen, Modelle entwickeln, zentrale Wissensbegriffe klären und ein Verständnis für die Dynamik von Wissensnetzwerken erarbeiten.

Damit haben sie gleichzeitig das Ziel in den Blick genommen, zur Keimzelle für die Zusammenarbeit zwischen geistes-, sozial- und ingenieurwissenschaftlichen Forschungen am Standort Berlin zu werden: Neben dem Fachgebiet Arbeitslehre/Technik und Partizipation sind die Fachgebiete Entrepreneurship und Innovationsmanagement, Technikgeschichte, Konstruktion von Maschinensystemen, Industrielle Informationstechnik und Werkstofftechnik beteiligt.

Erfindungen, Maschinenschäden und Netzwerke im Betrieb

Die Nutzung neuer leistungsfähiger Werkstoffe war stets ein zentrales Element technologischer Innovation. Dennoch wurden Festkörper, Materialien und Stoffe bislang vor allem unter physik- und chemiegeschichtlichen Aspekten untersucht. Auch soziale Netzwerke spielen in einer technischen Entwicklung eine zentrale Rolle. Insbesondere bildet die direkte Interaktion der Mitarbeitenden und Teams in größeren Entwicklungsprojekten die informale Struktur. Auch um schließlich die Ergebnisse aus Versuchen mit einfacher Versuchsanordnung auf komplexe Realsysteme übertragen zu können bedarf es spezifischer Methoden der Wissensgenerierung und -transformation sowie des Wissenstransfers.

Die Entwicklung und der Vertrieb komplexer Produkte in einem globalen Umfeld bedürfen darüber hinaus effizienter Prozesse in Planung und Durchführung. Im Projektmanagement haben sich dafür Projektpläne und Meilensteine etabliert. Hier plant das Projekt „Wissensdynamiken“ die Entwicklung einer neuen Vorgehensweise, die Produkt-, Prozess- und Organisationskomplexität in Produktentstehungsprozessen beherrschbarer machen soll. Außerdem ist die Schadenskunde Gegenstand der Untersuchungen.

Das Versagen von Bauteilen gefährdet oft Sicherheit und Gesundheit von Menschen und kann hohe wirtschaftliche Schäden nach sich ziehen. Die Ursachen sind vielfach bekannt, dennoch treten Schäden immer wieder auf. Wird das in der Fachwelt vorhandene Wissen also nicht ausreichend genutzt? Steht es überhaupt zur Verfügung? Inwieweit ist es formalisierbar? Das sind die Fragen, die sich an dieses Thema knüpfen.

Beispiele aus Fahrzeugtechnik und Hochschulforschung

„Alle diese Facetten untersuchen wir an den Fallstudien“, erklärt Dr. Sabine Ammon, die Verbundsprecherin. „Dazu gehört zum Beispiel die Entwicklung eines Bremssystems für Nutzfahrzeugfahrwerke. Hier kann man sehr gut erkennen, inwieweit einfache Versuchsanordnungen zur Beschreibung und Bewertung komplexer Realsysteme herangezogen werden können. Drei Versuchseinrichtungen beziehungsweise Prüfstände sollen die entsprechenden Erkenntnisse und Berechnungsansätze für die Modellbildung zur Wissensgenese liefern: ein Teilbelagprüfstand, ein hydraulischer Fahrbahnsimulator und ein reales Fahrzeug.“

Als Fallstudien untersucht werden auch konkrete Entwicklungsumgebungen aus Hard- und Software und ihr Einfluss auf die Wissensdynamik in Konstruktionsprozessen. Sie sind nicht nur wesentlich an der Wissensgenerierung beteiligt, sondern stellen wichtige Hilfsmittel in der Wissensakquisition, Wissenskoordination und Wissensintegration dar, allesamt Schlüsselbegriffe rund um die Untersuchung der Wissensdynamik.

Das Kerngebiet der Untersuchungen aber bildet die Hochschulforschung. Die Technikwissenschaften als eigenständige Wissenschaftsdisziplin – bisher in der Forschung eher vernachlässigt – sollen damit im Wissenschaftssystem besser verortet beziehungsweise besser sichtbar gemacht werden. Dr. Sabine Ammon erklärt: „Bislang wurden die Technikwissenschaften vor allem als Bereich verstanden, in dem Wissen anderer Disziplinen, insbesondere der Naturwissenschaften, angewendet werden; nicht aber als ein Bereich, der genuines Wissen erzeugt. Mit diesem Klischee will unser Projekt aufräumen.

Tatsächlich haben die Technikwissenschaften vielfältige spezifische Methoden, Verfahren und Wissenspraktiken, mit denen wir uns beschäftigen wollen. Dadurch werden die Auswirkungen von Technikentwicklung auf Gesellschaft und Umwelt insgesamt besser verständlich und kontrollierbar.“ Der Fokus liege auf der Forschung im Wissenschaftsbereich, doch auch der Transfer in Industrie und Wirtschaft werde berücksichtigt.

http://www.wissensdynamik.tu-berlin.de

Weitere Informationen erteilt Ihnen gern:
Dr. phil. Dipl.-Ing. Sabine Ammon
Technische Universität Berlin
Fakultät I Geistes- und Bildungswissenschaften
Institut für Berufliche Bildung und Arbeitslehre
Fachgebiet Arbeitslehre/Technik und Partizipation
Tel.: 030/314-73615
E-Mail: ammon@tu-berlin.de

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Stefanie Terp idw - Informationsdienst Wissenschaft

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