Seltene Stoffwechselerkrankungen: 1,15 Millionen Euro für europaweites Forscher-Netzwerk

Experten-Wissen zu seltenen angeborenen Stoffwechselerkrankungen bündeln, den natürlichen Krankheitsverlauf detailliert beschreiben, Behandlungsleitlinien erstellen und damit Diagnose und Therapie flächendeckend verbessern und standardisieren – das sind Ziele eines neuen europaweiten Forschungs-Netzwerks.

Wissenschaftler am Zentrum für Kinder- und Jugendmedizin am Universitätsklinikum Heidelberg bauen dazu ein zentrales europäisches Patientenregister auf, das Daten zu insgesamt 26 seltenen Stoffwechselstörungen erfasst, die unbehandelt zum Tod oder schweren Organschäden führen können. Die Europäische Union fördert das „European network and registry for homocystinurias and methylation defects” (E-HOD) mit 28 Projektpartnern aus 22 Ländern in den kommenden drei Jahren mit insgesamt 1,15 Millionen Euro.

Register schafft Überblick über Therapien und Behandlungserfolge

Das zentrale Patientenregister ist Kernstück und Arbeitsgrundlage des Projekts: Dort werden erstmals die relevanten, krankheitsspezifischen Daten von Patienten mit diesen seltenen Erkrankungen sowie die in den beteiligten Ländern vorhandenen diagnostischen und therapeutischen Strategien gesammelt und analysiert. Dies ist die Grundlage für eine Optimierung der aktuellen Konzepte. „Da die Erkrankungen so selten sind, findet man kaum belastbare Informationen darüber, wie z.B. die Aussichten eines betroffenen Kindes bei früher oder später Diagnose sind oder ob sich ein bestimmtes Therapieprotokoll besser eignet als ein anderes. Das soll das zentrale Register ändern“, erklärt Professor Dr. Stefan Kölker, Leiter der Sektion für angeborene Stoffwechselerkrankungen am Zentrum für Kinder- und Jugendmedizin, der mit seiner Arbeitsgruppe das Register einrichtet und pflegt.

Experten-Netzwerk wird ausgebaut

Nach und nach sollen nun möglichst viele angeborene Stoffwechselerkrankungen in der Datenbank erfasst werden. Das Experten-Netzwerk und Patientenregister von E-HOD ist dabei bereits der zweite Schritt. Das Projekt ergänzt das erfolgreiche, 2011 gegründete Netzwerk „European registry and network for intoxication type metabolic diseases“ (E-IMD), das von der EU noch bis 2014 gefördert und vom Zentrum für Kinder- und Jugendmedizin Heidelberg aus koordiniert wird: E-IMD ist elf seltenen Krankheiten aus der Gruppe der sogenannten Organoazidopathien und Harnstoffzyklusdefekte gewidmet, mit E-HOD kommen 15 weitere Stoffwechselstörungen wie Homocystinurie, Cobalaminstoffwechsel-, Remethylierungs- und Folatzyklusstörungen dazu. In den beiden Netzwerken engagieren sich insgesamt mehr als 100 Projektpartner aus 27 Ländern. Hierzu gehören neben international renommierten Stoffwechselzentren auch Patientenverbände und Vertreter der Industrie. Die Heidelberger Projektgruppe etablierte bereits die Datenbank für E-IMD und verwaltet nun die Register für alle 26 derzeit eingeschlossen Erkrankungen.

Allen diesen Erkrankungen liegt eine genetisch bedingte und daher unheilbare Störung des Intermediärstoffwechsels zugrunde. Es reichern sich hierbei giftige Stoffwechselprodukte im Körper an, die Gehirn und andere Organe der Kinder z.T. bereits in den ersten Lebenstagen oder -monaten schädigen können. Bei einer frühen Diagnose und Therapieeinleitung lässt sich ein Fortschreiten der Erkrankung durch eine lebenslange Therapie aufhalten oder zumindest verlangsamen.

Ein Ziel ist die Entwicklung von „Orphan Drugs“

Mehr als 500 angeborene Stoffwechselerkrankungen sind heute bekannt. Circa eines von 500 Neugeborenen in Deutschland ist betroffen. Bei vielen Erkrankungen wissen Ärzte und Forscher derzeit nur wenig darüber, wie sie entstehen und wie man sie behandeln kann. Daher ist es umso wichtiger, dass sich Experten international vernetzen und gemeinsam forschen, um in Diagnose und Behandlung voran zu kommen. Das Netzwerk verfolgt mittelfristig das ehrgeizige Ziel zusammen mit Pharmafirmen die (Weiter-)Entwicklung von „Orphan Drugs“, Medikamente für seltene Erkrankungen, voranzutreiben. Dieses Unterfangen soll im Rahmen öffentlich-privater Partnerschaften realisiert werden.

Im Heidelberger Stoffwechselzentrum werden seit vielen Jahren Patienten mit diesen angeborenen Erkrankungen erfolgreich diagnostiziert und behandelt. Das Stoffwechselzentrum ist eingebettet in das Zentrum für seltene Erkrankungen am Universitätsklinikum Heidelberg. Die Forschungsarbeiten von E-HOD werden nach der Fertigstellung in den Räumlichkeiten des Analysezentrums III (Dietmar Hopp-Stoffwechselzentrum) fortgesetzt.

Kontakt:
Prof. Dr. Stefan Kölker
Leiter der Sektion für Angeborene Stoffwechselerkrankungen
Zentrum für Kinder- und Jugendmedizin Heidelberg
Tel.: 06221 / 56 40 02
E-Mail: stefan.koelker@med.uni-heidelberg.de
Bei Rückfragen von Journalisten:
Dr. Annette Tuffs
Leiterin Unternehmenskommunikation / Pressestelle
des Universitätsklinikums Heidelberg und der
Medizinischen Fakultät der Universität Heidelberg
Im Neuenheimer Feld 672
69120 Heidelberg
Tel.: 06221 56-4536
Fax: 06221 56-4544
E-Mail: annette.tuffs@med.uni-heidelberg.de
Weitere Informationen:
http://www.seltene-erkrankungen-heidelberg.de
Universitätsklinikum Heidelberg, Zentrum für Seltene Erkrankungen
http://ec.europa.eu/eahc
Aktionsprogramm Gesundheit der EU (European Agency for Health and Consumers)
http://www.klinikum.uni-heidelberg.de
Universitätsklinikum Heidelberg

Media Contact

Dr. Annette Tuffs idw

Weitere Informationen:

http://www.klinikum.uni-heidelberg.de

Alle Nachrichten aus der Kategorie: Förderungen Preise

Zurück zur Startseite

Kommentare (0)

Schreiben Sie einen Kommentar

Neueste Beiträge

Neue universelle lichtbasierte Technik zur Kontrolle der Talpolarisation

Ein internationales Forscherteam berichtet in Nature über eine neue Methode, mit der zum ersten Mal die Talpolarisation in zentrosymmetrischen Bulk-Materialien auf eine nicht materialspezifische Weise erreicht wird. Diese „universelle Technik“…

Tumorzellen hebeln das Immunsystem früh aus

Neu entdeckter Mechanismus könnte Krebs-Immuntherapien deutlich verbessern. Tumore verhindern aktiv, dass sich Immunantworten durch sogenannte zytotoxische T-Zellen bilden, die den Krebs bekämpfen könnten. Wie das genau geschieht, beschreiben jetzt erstmals…

Immunzellen in den Startlöchern: „Allzeit bereit“ ist harte Arbeit

Wenn Krankheitserreger in den Körper eindringen, muss das Immunsystem sofort reagieren und eine Infektion verhindern oder eindämmen. Doch wie halten sich unsere Abwehrzellen bereit, wenn kein Angreifer in Sicht ist?…

Partner & Förderer