Grenzflächen zwischen Materialien und Leben

Ob auf einem Biosensor oder einem künstlichen Hüftgelenk – überall, wo Materialien mit biologischen Systemen in Kontakt kommen, spielen Eiweiße eine Schlüsselrolle. „Adsorbierte Eiweiße bestimmen beispielsweise an Implantatoberflächen ganz wesentlich die Reaktion des Körpers und damit den Erfolg des Implantats“, sagt Dr. Thomas Keller, Materialwissenschaftler von der Friedrich-Schiller-Universität Jena.

Aber auch bei der Wasseraufbereitung, in der Lebensmittelindustrie oder bei Biogasanlagen für die Erzeugung regenerativer Energien sind Eiweiße auf Materialoberflächen von großer Bedeutung. „Das Verständnis und die Steuerung von Adsorptionsprozessen an Materialoberflächen ist deshalb eine der zentralen Fragen der modernen Materialwissenschaft und der Biophysik“, ist der Inhaber des Lehrstuhls für Materialwissenschaft Prof. Dr. Klaus D. Jandt überzeugt.

Trotz intensiver Forschung auf diesem Gebiet ist bisher jedoch noch weitgehend unbekannt, wie Struktur und Eigenschaften der Materialoberflächen die Eiweißadsorption steuern. Die Forscher von der Universität Jena um Prof. Jandt arbeiten bereits seit längerem an diesem Problem. Für ihre weltweit anerkannten Arbeiten dazu werden Dr. Keller und Prof. Jandt jetzt mit dem Thüringer Forschungspreis in der Kategorie „Angewandte Forschung“ ausgezeichnet. Der Preis wird am 17. Februar im Institut für Photonische Technologien (IPHT) in Jena verliehen. „Der Preis ist eine große Ehre für uns“, betont Preisträger Jandt, der darin einen Beleg dafür sieht, dass sich langfristige und nachhaltige Forschung lohne.

„Um Eiweiße auf Materialien kontrolliert anheften zu können, ist es vor allem wichtig zu wissen, wie deren Oberflächen beschaffen sein müssen“, sagt Dr. Keller. Die Jenaer Wissenschaftler haben zur Beantwortung dieser Frage jüngst in einer viel beachteten Studie einen entscheidenden Beitrag geleistet: Dr. Keller und Prof. Jandt haben an nanostrukturierten ultra-hochmolekularen Polyethylen (UHMWPE) Oberflächen zeigen können, dass sich Eiweiße, die selbst nur einige Nanometer groß sind, bevorzugt an den nanokristallinen Lamellen des Polymers anlagern. „Normalerweise bildet das untersuchte Eiweiß auf Oberflächen aus UHMWPE, das oft im Gelenkersatz verwendet wird, ungeordnete Netzwerke aus“, so Dr. Keller. „Aufgrund der Nanostruktur gelang es uns nun aber, eine hochstrukturierte, dichte Packung der Eiweiße zu erreichen, die die Netzwerkbildung einschränkt und so beispielsweise die Reibeigenschaften von Gelenkoberflächen verbessern kann.“

Das Feld potenzieller Anwendungsmöglichkeiten dieser Erkenntnisse ist groß. „Grundsätzlich sind die Ergebnisse für alle Grenzflächen zwischen Materialien und Lebewesen interessant“, so schätzt Prof. Jandt und nennt als Beispiele Oberflächen, auf denen Zellen gut anwachsen – nicht aber Mikroorganismen. „Das würde zum Beispiel das Einwachsen von Implantaten deutlich verbessern können.“

Mit dem Thüringer Forschungspreis werden jährlich herausragende Forschungs- und Transferleistungen ausgezeichnet, die an Hochschulen und außeruniversitären Forschungseinrichtungen des Freistaats entstanden sind. Der Preis ist mit insgesamt 50.000 Euro dotiert und wird in den Kategorien „Grundlagenforschung“ und „Angewandte Forschung“ sowie „Transfer“ vergeben.

Kontakt:
Prof. Dr. Klaus D. Jandt, Dr. Thomas F. Keller
Institut für Materialwissenschaft und Werkstofftechnologie der Universität Jena
Löbdergraben 32, 07743 Jena
Tel.: 03641 / 947730
E-Mail: k.jandt@uni-jena.de, t.keller@uni-jena.de

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Dr. Ute Schönfelder idw

Weitere Informationen:

http://www.uni-jena.de/

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