Neues Explosionsschutzkonzept verspricht riesige Energieeinsparungen

Mehr als 100 Millionen Euro Energiekosten könnten in deutschen Chemie- und Petrochemieunternehmen eingespart werden, wenn in Zukunft die Zulassungsprüfungen von explosionsgeschützten Motoren und der dazugehörigen Frequenzumrichter voneinander getrennt ablaufen könnten.

Für das entsprechende Konzept, mit dem unnötige Prüfungen des gesamten Systems (Motor plus Umrichter) vermieden werden, erhält Christian Lehrmann, Ingenieur bei der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt (PTB), den Adolf-Martens-Preis 2008 für Sicherheitstechnik, Arbeitsschutz und verwandte Bereiche.

Frequenzumrichtergespeiste Antriebe erobern sich in der industriellen Antriebstechnik immer breitere Einsatzgebiete. Im Vergleich zu netzgespeisten Motoren lässt sich mit ihnen beim Antrieb von Strömungsmaschinen viel Energie einsparen. Außerdem kann man mit ihrer Hilfe Produktionsprozesse optimieren und so die Produktqualität steigern, die Lebensdauer von Produktionsanlagen verlängern und Netzrückwirkungen, die durch Spannungseinbrüche beim Hochlauf größerer Motoren entstehen können, verringern. Zudem ist es oftmals möglich, auf ein Getriebe zu verzichten – ein weiteres Einsparpotential.

Gerade in der Chemie und Petrochemie erfordern viele Anwendungen den Einsatz explosionsgeschützter Antriebe. Daher wollen Anlagenbetreiber frequenzumrichtergespeiste Antriebe möglichst flexibel und kostengünstig auch in explosionsgefährdeten Bereich einsetzen können – natürlich unter Einhaltung eines hohen Sicherheitsstandards.

Das bisherige Explosionsschutzkonzept für umrichtergespeiste Antriebe der Zündschutzart „Erhöhte Sicherheit“ war sehr unflexibel und aufwendig, da eine Prüfung des Umrichters immer zusammen mit der Maschine, mit der er später betrieben werden soll, erfolgen musste. Dies ist besonders bei Großmaschinen sehr zeit- und kostenintensiv. Als gravierender Nachteil wird dieses besonders unter dem Aspekt der unterschiedlichen Produktzyklen und Lebensdauern von Motor und Umrichter angesehen. Während ein Motor oftmals 20 Jahre oder gar noch länger im Einsatz betrieben wird, befinden sich Umrichter in einem kontinuierlichen technologischen Veränderungsprozess.

Der Gedanke, die Zertifizierung des Motors vom Umrichter zu trennen, war dann genauso folgerichtig wie entscheidend für den technischen und wirtschaftlichen Erfolg. Allein bei einem großen Chemieunternehmen liegt das Einsparungspotenzial an elektrischer Energie im oberen zweistelligen Euro-Millionenbereich, nicht gerechnet eingesparte Wartungsmaßnahmen und Exporterlöse deutscher Anlagenbauer.

Weil sein „Explosionsschutzkonzept für umrichtergespeiste Antriebe der Zündschutzart Erhöhte Sicherheit“ den Weg frei gemacht hat für enorme wirtschaftliche Einsparungen insbesondere in der chemischen und verfahrenstechnischen Industrie, und zwar bei einem mindestens gleich hohen Sicherheitsstandard, erhält Christian Lehrmann den Adolf-Martens-Preises 2008 für „Sicherheitstechnik, Arbeitsschutz und verwandte Gebiete“.

Der Explosionsschutz von Antrieben großer Leistung zielt vorrangig auf die Vermeidung (belastungsabhängiger, aber auch -unabhängiger) heißer Stellen im Motor, die als Zündquelle einer Explosion wirken können. Im Rahmen seiner Forschungsarbeiten führte Lehrmann umfangreiche experimentelle Arbeiten zur Maschinenerwärmung durch. Sein besonderes Interesse galt dabei den lastunabhängigen Oberschwingungsverlusten, die über induzierte Wirbelströme zu einer Erwärmung der Maschine führen. Dabei gelang es ihm, über die Messung der elektrischen Maschinenimpedanz die Dissipationsenergie zu berechnen.

Die zweite wichtige Säule war die sehr anspruchsvolle experimentelle Bestimmung und Modellierung der drehzahlabhängigen Kühlung bei eigenbelüfteten Maschinen, die Energieabführung. Beides zusammen erlaubt die Vorausberechnung der Erwärmung von Elektroantrieben sowie in Verbindung mit einer drehzahlabhängigen Strombegrenzung eine Begrenzung der Maschinenerwärmung für die Zündschutzart Erhöhte Sicherheit. Die notwendigen Steuerparameter können in einer Motorzulassung unabhängig vom Umrichter dargelegt werden.

(es)

Ansprechpartner:
Dr. Christian Lehrmann, PTB-Arbeitsgruppe 3.72 Explosionsgeschützte elektrische Antriebssysteme, Tel. (0531) 592 3533, E-Mail: christian.lehrmann@ptb.de

Media Contact

Erika Schow idw

Weitere Informationen:

http://www.ptb.de

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