Zebrafinken: Wie der Vater, so nicht der Sohn

Die Umweltbedingungen während der Zeit im Nest prägen wesentlich den späteren Gesang von Zebrafinken. © MPI f. Ornithologie/Leitner <br>

Es ist aber schwierig herauszufinden, welchen Anteil die Gene und die Umwelt jeweils zur Ausbildung der individuellen Variation der Gesänge haben. Forscher vom Max-Planck-Institut für Ornithologie in Seewiesen und internationale Kollegen ist nun diese Trennung gelungen.

Ein zentrales Thema in der Verhaltensforschung ist die Frage, welche Anteile des Verhaltens genetisch bedingt sind und welche Anteile durch die Umwelt geformt werden. Heute weiß man, dass unsere Persönlichkeit und Verhalten weit weniger stark durch die Gene bestimmt wird.

Besonders während der Entwicklung können Umweltfaktoren über sogenannte epigenetische Effekte entscheidenden Einfluss auf die Ausbildung von Gehirn und Verhalten haben. Hormone spielen hierbei eine wichtige Rolle. So kann die Veränderung des Hormonmilieus während der frühen Lebensphasen einen Organismus langanhaltend beeinflussen, während dieselbe Veränderung im Erwachsenenalter nur eine kurzfristige Wirkung zeigt.

Ob der Einfluss der Umwelt stark oder schwach ausfällt, kann aber entscheidend von der genetischen Veranlagung abhängen. Erb- und Umweltfaktoren sind aber nach wie vor schwer auseinanderzuhalten.

Einen Versuch, diese beiden Faktoren zu trennen, hat jetzt ein internationales Forscherteam vom Max-Planck-Institut für Ornithologie in einem großangelegten Brutexperiment an Zebrafinken gestartet. Die Forscher tauschten bei 32 Brutpaaren jeweils die Hälfte eines Geleges aus, so dass die Hälfte der Eier im Nest sozusagen aus “Kuckuckseiern“ bestand. Somit wuchs die Hälfte der geschlüpften Jungvögel bei den eigenen Eltern auf, während die andere Hälfte von Stiefeltern großgezogen wurde.

Zusätzlich wurde bei einem Teil der Paare die Menge an verfügbarem Körnerfutter durch kontrollierte Zugabe von wertlosen Spelzen beschränkt. Als die Nachkommen mit 100 Tagen erwachsen waren, nahmen die Forscher zunächst deren Gesänge auf und analysierten dann die Gehirnanatomie. So konnten sie einerseits die Einflüsse von Genotyp und Aufzuchtbedingungen auf Gesang und Gehirn voneinander trennen. Andererseits konnten sie testen, ob die daraus resultierenden Zusammenhänge durch unvorhergesehene Umwelteinflüsse beeinflusst werden, wie z.B. Futtermangel.

Die Ergebnisse der Forscher zeigen, dass die Gesänge der männlichen Nachkommen mit denen ihrer Väter wenig übereinstimmen. Einzig die Anzahl der Silben und die Maximalfrequenz eines jungen Männchens hängen mit der Silbenanzahl des leiblichen Vaters stärker zusammen. Bei der lautesten Gesangsfrequenz und dem Anteil einzigartiger Gesangssilben der Söhne wiederum gibt es eine stärkere Übereinstimmung mit dem Gesang des Stiefvaters, letztere besteht jedoch nur bei ausreichendem Nahrungsangebot. Noch bemerkenswerter waren die Ergebnisse bei der Gehirnstruktur: Sie wird kaum vererbt und ist in hohem Maße von den Umweltbedingungen abhängig. So kann jeder bestehende Zusammenhang zwischen der Gehirngröße von Vater und Sohn durch Veränderung der Bedingungen während der Aufzucht aufgelöst werden.

Diese Ergebnisse sind umso erstaunlicher, da man in früheren Studien von einer hohen Vererbbarkeit der dem Gesang zugrundeliegenden Gehirnstrukturen ausgegangen war. Damals hatte man allerdings die Größe Umweltbedingungen außer Acht gelassen. „Eine hohe Empfindlichkeit gegenüber Umweltfaktoren kann die genetische Vielfalt aufrechterhalten. Sie hat großen Einfluss auf die Gesangs- und Gehirnentwicklung beim Singvogel“, fasst Stefan Leitner, Leiter der Studie, zusammen.

Originalveröffentlichung:
Environmental and genetic control of brain and song structure in the zebra finch
Woodgate, J.L., Buchanan, K.L., Bennett, A.T.D., Catchpole, C.K., Brighton, R. & Leitner, S.

Evolution published online 19.09.2013, DOI: 10.1111/evo.12261

Kontakt:
Dr. Stefan Leitner
leitner@orn.mpg.de
Telefon: +49 8157 932 389

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Dr. Sabine Spehn Max-Planck-Institut

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