Wie Immunzellen Bakterien mit Säure töten

Fluoreszenzmikroskipische Aufnahme von menschlichen Makrophagen (THP-1 Zelllinie), inkubiert mit blau und rot gefärbten Partikeln. Der rote Farbstoff ist nur in saurem Milieu aktiv, gelb = SLC4A7 CeMM/Ruth Eichner

Unter den vielfältigen Immunzellen, die im Körper patrouillieren, gehören Makrophagen zu den ersten, die eindringende Fremdkörper abwehren. Mit ihrer flexiblen und wandlungsfähigen Oberfläche stülpen sie sich über jeden Eindringling, der für den Organismus gefährlich werden könnte, und verschließen ihn in einer intrazellulären Membranblase, dem sogenannten Phagosom.

Anschließend muss der pH-Wert in der Blase schrittweise und effektiv gesenkt werden, bis er einer starken Säure gleicht, um die eingeschlossenen Mikroben abzutöten. Viele Details dieses entscheidenden Prozesses, im Fachjargon Phagozytose genannt, sind bisher nicht gänzlich verstanden.

Das Team von Giulio Superti-Furga, wissenschaftlicher Direktor des CeMM Forschungszentrum für Molekulare Medizin der Österreichischen Akademie der Wissenschaften, konnte in seiner neuesten Studie zeigen, dass ein Membranprotein aus der Familie der „Solute Carriers“ (SLCs) für Makrophagen essentiell ist, um während der Phagozytose ihre Beute tatsächlich mit Säure abtöten zu können. Ihre Arbeit wurde in der Fachzeitschrift Cell Host & Microbe (DOI 10.1016/j.chom.2018.04.013) veröffentlicht.

SLCs sind die größte Gruppe der Transportproteine einer Zelle. Sie sind dafür verantwortlich, chemische Substanzen durch Zellmembranen zu schleusen. Da die Phagozytose den Austausch von Ionen und anderen Stoffen erfordert, stellten die WissenschaftlerInnen von Superti-Furgas Team die Hypothese auf, dass SLC´s für diesen Prozess in Makrophagen eine zentrale Rolle einnehmen. Um diese Hypothese zu überprüfen, entwickelten sie einen experimentellen Ansatz, bei dem sie mit Hilfe der Genom-Editierungs-Technik CRISPR/Cas9 in einer Makrophagen-Zelllinie alle 391 menschlichen SLC-Gene einzeln ausschalteten.

Diese Zellen – jede mit einem einzigen defekten SLC-Gen – wurden daraufhin bei der Phagozytose beobachtet, um herauszufinden, ob sich die Gendefekte darauf auswirkten. Unter allen SLCs war SLC4A7, ein Natrium-Bicarbonat Transporter, der einzige, der sich als essentiell für die Ansäuerung von phagozytierten Mikroben erwies. Zellen, bei denen dieses Gen ausgeschaltet war, waren unfähig ihre Phagosomen anzusäuern, und damit auch nicht in der Lage, aufgenommene Bakterien abzutöten.

Mit SLC4A7 hatten die ForscherInnen ihren Hauptverdächtigen identifiziert und untersuchten nun, in Kollaboration mit der Forschungsgruppe von Nicolas Demaurex von der Universität Genf genauer, auf welche Weise dieses Protein die Ansäuerung der Membranblasen beeinflusst.

„SLC4A7 befindet sich auf der Oberfläche der Makrophagen und ist für den Import von Bicarbonat, also dem Salz der Kohlensäure, aus der Umgebung in das Zellinnere verantwortlich“, erklärt Giulio Supert-Furga, der Letztautor der Studie. „Dieser Import ist essentiell für die Stabilisierung des zellulären pH-Werts während der Phagozytose ist. Wenn SLC4A7 ausgeschaltet wird, häufen sich positiv geladenen Protonen im Zellplasma an, was die Säurebildung in den Phagosomen verhindert.“

Die Ergebnisse dieser Studie liefern neue, fundamentale Erkenntnisse über die molekularen Mechanismen und die Biologie der Makrophagen, einer der wichtigsten Arten von Immunzellen. Da die Phagozytose in einer ganzen Reihe von Erkrankungen, von Infektionskrankheiten bis hin zu Krebs, eine wichtige Rolle spielt, könnten die Ergebnisse darüber hinaus auch für medizinische Zwecke nützlich sein, etwa bei der Entwicklung neuer Therapien oder Wirkstoffe. Die vom Europäischen Forschungsrat geförderte Studie ist ein weiterer Beitrag in dem Bestreben, die Rolle der verschiedenen zellulären Transporter zu verstehen.

Die Studie „The Bicarbonate Transporter SLC4A7 Plays a Key Role in Macrophage Phagosome Acidification“ erschien in der Zeitschrift Cell Host & Microbe am 17.05.2018. DOI: 10.1016/j.chom.2018.04.013

Autoren: Vitaly Sedlyarov, Ruth Eichner, Enrico Girardi, Patrick Essletzbichler, Ulrich Goldmann, Paula Nunes-Hasler, Ismet Srndic, Anna Moskovskich, Leonhard X. Heinz, Felix Kartnig, Johannes W. Bigenzahn, Manuele Rebsamen, Pavel Kovarik, Nicolas Demaurex, und Giulio Superti-Furga.

Förderung: Die Studie wurde von dem Europäischen Forschungsrat (ERC), der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW), dem FWF Der Wissenschaftsfonds, der Europäischen Kommission, und der European Molecular Biology Organization (EMBO) gefördert.

Giulio Superti-Furga ist der wissenschaftliche Direktor des CeMM Forschungszentrums für Molekulare Medizin der Österreichischen Akademie der Wissenschaften, Professor für Molekulare Systembiologie am Zentrum für Physiologie und Pharmakologie der Medizinischen Universität Wien und Mitglied der Europäischen Forschungsrates.

Als Wissenschaftlicher Direktor des CeMM treibt Giulio Superti-Furga die Forschung für eine präzise und präventive Medizin der Zukunft voran, indem er Grundlagenforschung und klinische Expertise vereint und wegweisende diagnostische und therapeutische Ansätze verfolgt.

Zu seinen größten wissenschaftlichen Erfolgen zählen die Aufklärung der grundlegenden regulatorischen Mechanismen der Tyrosinkinasen bei Krebserkrankungen, die Entdeckung der organisatorischen Prinzipien des Proteoms und Lipidoms höherer Organismen, sowie die Charakterisierung der molekularen Bestandteile, welche eine Rolle in der angeborenen Immunität spielen.

In den letzten Jahren lag ein Schwerpunkt seiner Arbeit auf Membrantransportern, für deren systematische Erforschung er sich in der wissenschaftlichen Gemeinschaft einsetzt. Er ist Mitglied der Österreichischen Akademie der Wissenschaft, Deutschen Akademie der Naturforscher Leopoldina, der European Molecular Biology Organization EMBO, European Academy of Cancer Sciences und der Academia Europaea.
http://cemm.at/research/groups/giulio-superti-furga-group/

Das CeMM Forschungszentrum für Molekulare Medizin der Österreichischen Akademie der Wissenschaften ist eine internationale, unabhängige und interdisziplinäre Forschungseinrichtung für molekulare Medizin unter der wissenschaftlichen Leitung von Giulio Superti-Furga. Das CeMM orientiert sich an den medizinischen Erfordernissen und integriert Grundlagenforschung sowie klinische Expertise, um innovative diagnostische und therapeutische Ansätze für eine Präzisionsmedizin zu entwickeln.

Die Forschungsschwerpunkte sind Krebs, Entzündungen, Stoffwechsel- und Immunstörungen sowie seltene Erkrankungen. Das Forschungsgebäude des Instituts befindet sich am Campus der Medizinischen Universität und des Allgemeinen Krankenhauses Wien. www.cemm.at

Die Medizinische Universität Wien (MedUni Wien) ist eine der traditionsreichsten medizinischen Ausbildungs- und Forschungsstätten Europas. Mit rund 8.000 Studierenden ist sie heute die größte medizinische Ausbildungsstätte im deutschsprachigen Raum. Mit 5.500 MitarbeiterInnen, 27 Universitätskliniken und etlichen medizintheoretischen Zentren und hochspezialisierten Laboratorien zählt sie zu den bedeutendsten Forschungsinstitutionen Europas im biomedizinischen Bereich. Der klinische und forscherische Schwerpunkt der Medizinischen Universität liegt auf den Themen Immunologie, Neurobiologie, Imaging, Onkologie und Herz-Kreislauferkrankungen. www.meduniwien.ac.at

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