Technologierevolution in der Biodiversitätsforschung: Nach Genom und Proteom Metabolom entschlüsselt

Die Gruppe um Wolfram Weckwerth, Leiter des Departments für Molekulare Systembiologie der Universität Wien, hat hochkomplexe Verfahren eingesetzt, um grundlegende Fragen zur Biodiversität zu klären.

Forschungsobjekt war eine der größten wissenschaftlichen Anbauflächen für Biodiversität in Europa – das Jena-Experiment; untersucht wurden die Vielfalt der dortigen Wiesenvegetation und deren Pflanzeninteraktionen. Die Ergebnisse sind im internationalen Fachmagazin „PLoS ONE“ erschienen.

Mithilfe von Metabolomanalysen werden die Effekte von Biodiversität auf den Stoffwechel von Pflanzenarten gemessen. So wie das Genom die Gesamtheit aller Gene und das Proteom die Gesamtheit aller Proteine bezeichnet, steht das Metabolom eines jeden Organismus für alle Metaboliten, d.h. alle Stoffwechselprodukte einer Zelle – Zucker, Fettsäuren, Aminosäuren, organische Säuren etc.

Der Stoffwechsel eines Organismus, sei es Mensch, Tier oder Pflanze, unterliegt sehr großen Schwankungen in Abhängigkeit von Umwelt, Ernährung, Tag-Nacht-Rhythmus, und Krankheiten. Daher ist die systematische Metabolomanalyse ein direkter Hinweis auf die Aktivität bzw. Produktivität des Stoffwechsels des jeweiligen Organismus. Zur Analyse von ultrakomplexen Metabolomproben verwenden die ForscherInnen um Wolfram Weckwerth chromatographische Trennverfahren, die an Massenspektrometrie gekoppelt sind. Durch dieses hochtechnisierte Verfahren erhalten die WissenschafterInnen Molekülmassen der einzelnen Metabolite, die sie mithilfe eigens angelegter Bibliotheken mit tausenden Referenzsubstanzen vergleichen, identifizieren und quantifizieren.

Metabolomics ermöglicht Bestimmung des Biodiversitätsgradienten im Pflanzenstoffwechsel

Da die Metabolomanalyse einen systematischen Blick auf den Stoffwechsel einer Pflanze erlaubt, war es möglich, einen Biodiversitätsgradienten in den Pflanzen zu messen. In einem genau kartierten Gelände wurden Versuchsflächen mit unterschiedlichen Mischungen verschiedenster Pflanzenarten angelegt: kleine und große Kräuter, Leguminosen, Gräser – teilweise bis zu 60 verschiedene Arten. Die genau festgelegte Zusammensetzung dieser einzelnen Vegetationsflächen spiegelte unterschiedliche Biodiversitätsgrade wider. Dieser Effekt äußerte sich darin, dass einige Pflanzen erhöhte Produktivität, andere wiederum geringere Produktivität in Abhängigkeit ihrer Umgebung zeigten, also eine Plastizität in ihrer Anpassungsfähigkeit. Diese Eigenschaften wiederum sind in den Stoffwechselprofilen der individuellen Pflanzen direkt abzulesen.

Es gibt sehr unterschiedliche Anpassungen von individuellen Pflanzenarten an ihre Umgebung. Löwenzahn und Gänseblümchen (Leontodon autumnalis und Bellis perennis) zeigen beispielsweise Limitierungen im Kohlenstoff- und Stickstoffhaushalt. Andere Pflanzenarten, wie z.B. Acker-Witwenblume oder Nähkisselchen (Knautia arvensis) sind wenig beeinflusst, während kleinere Leguminosen, wie Gewöhnlicher Hornklee (Lotus corniculatus), erhöhte Metabolitlevel – also erhöhte Produktivität – aufweisen. Diese Untersuchungen zeigen erstmals auf, wie die Metabolomics-Technologie in Zukunft zur Aufklärung komplexer ökologischer und ökosystemarer Zusammenhänge in der Feldforschung eingesetzt werden kann.

Die Ergebnisse dieser Studie sind kürzlich in der internationalen Zeitschrift „PloS ONE“ publiziert worden und werden bei „Faculty of 1000“ als „must read“ im Bereich Ökologieforschung empfohlen.

Publikation:
Metabolomics Unravel Contrasting Effects of Biodiversity on the Performance of Individual Plant Species: Christian Scherling, Christiane Roscher, Patrick Giavalisco, Ernst-Detlef Schulze, Wolfram Weckwerth.

http://www.plosone.org/article/info%3Adoi%2F10.1371%2Fjournal.pone.0012569

Erste Metabolomics-Konferenz in Österreich

Wolfram Weckwerth organisierte dieses Jahr die erste internationale Metabolomics-Konferenz (International Metabolomics Austria – InMetA) in Österreich. Dieser Kongress machte das junge Forschungsgebiet der Metabolomics-Technologie innerhalb Österreichs bekannt und stärkte die internationale Zusammenarbeit in diesem neuen Forschungsgebiet. Die nächste Konferenz ist für 2012 geplant.

Kontakt
Univ.-Prof. Dr. Wolfram Weckwerth
Department für Molekulare Systembiologie
Universität Wien
1090 Wien, Althanstraße 14
T +43-1-4277-577 00
M +43-664-602 77-577 00
wolfram.weckwerth@univie.ac.at
Rückfragehinweis
Mag. Veronika Schallhart
Öffentlichkeitsarbeit
Universität Wien
1010 Wien, Dr.-Karl-Lueger-Ring 1
T +43-1-4277-175 30
M +43-664-602 77-175 30
veronika.schallhart@univie.ac.at

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