Forschern des Universitätsklinikums Heidelberg ist es erstmals gelungen, eine sehr schwere Erbkrankheit, bei der der Zuckerstoffwechsel gestört ist, im Mausmodell erfolgreich zu behandeln. Das Team um Professor Dr. rer. nat. Christian Körner, Arbeitsgruppenleiter am Zentrum für Kinder- und Jugendmedizin, konnte zeigen:
Gibt man weiblichen Mäusen vor der Paarung sowie während der Schwangerschaft mit dem Trinkwasser den Zucker Mannose, so entwickeln sich die Nachkommen normal, obwohl sie die Genveränderung für die Erbkrankheit in sich tragen. Die herausragenden Arbeiten tragen dazu bei, die molekularen Vorgänge dieser Stoffwechselerkrankung sowie wichtige Stadien in der Embryonalentwicklung besser zu verstehen und bieten möglicherweise erstmals einen Therapieansatz.
Die Ergebnisse der Heidelberger Forscher, an denen auch Kollegen um Professor Hermann-Josef Gröne, Abteilung Zelluläre und Molekulare Pathologie am Deutschen Krebsforschungszentrum Heidelberg, beteiligt sind, wurden jetzt vorab online in der international renommierten Fachzeitschrift Nature Medicine veröffentlicht.
Seltene Erkrankung: rund 1.000 Kinder betroffen
Rund 1.000 Kinder weltweit leiden an „Erblich bedingten Erkrankungen der Glykosylierung“, CDG (Congenital Disorders of Glycosylation). CDG gehören damit zu den seltenen Erkrankungen. Mit rund 800 Betroffenen ist der Typ CDG-Ia am häufigsten, die Dunkelziffer ist hoch. Die Kinder erleiden schwere körperliche und geistige Behinderungen, rund 20 Prozent sterben vor dem 2. Lebensjahr. Eine Therapie gibt es bislang nicht.
Ursache der vielfältigen Schäden sind Veränderungen in der genetischen Information für ein bestimmtes Enzym. Dieses steuert grundlegende Vorgänge des Zuckerstoffwechsels im Körper: Der Zucker Mannose-1-Phosphat wird nicht in ausreichender Menge hergestellt. In der Folge funktioniert die Glykosylierung nicht, d.h. wichtige Zuckerketten, die normalerweise Form, Stabilität und Funktion der Eiweiße vermitteln, werden nicht oder nicht vollständig an Körperproteine angefügt. Ohne diese Zuckerstrukturen sind eine Vielzahl lebenswichtiger Prozesse gestört, z.B. Befruchtung, Wachstum und Entwicklung von Organen. Die Erkrankung kommt erst dann zum Ausbruch, wenn das Kind sowohl von der Mutter als auch vom Vater jeweils ein verändertes Gen erbt. Die Eltern, die beide jeweils eine veränderte und eine „gesunde“ Kopie des Gens tragen, zeigen keine Symptome.
Mäuse nehmen Mannose mit Trinkwasser auf
Das von Professor Körner und seinem Team entwickelte Mausmodell weist CDG-Ia-typische Genveränderungen auf und zeigt eine verminderte Enzymaktivität. Bei ihrer aktuellen Studie machten sich die Wissenschaftler die Plazentagängigkeit der Mannose zu Nutze, d.h. nimmt die schwangere Maus Mannose auf, erreicht diese auch die Embryonen in der Gebärmutter.
„Eine Woche vor der Verpaarung haben wir begonnen, den weiblichen Mäusen Mannose mit dem Trinkwasser zu geben“, erklärt Professor Körner. Die weitere Versorgung mit dem Zucker bis zur Geburt führte dazu, dass sich der Mannosespiegel im Blut der Embryonen erhöhte. „Die Mäuse kamen ohne Schäden zur Welt und entwickelten auch nach der Geburt keine Symptome der Erkrankung, selbst dann nicht, wenn sie keine Mannose mehr zu sich nahmen“, so der Biochemiker. Die erfolgreichen Heidelberger Arbeiten zeigen damit deutlich, welch entscheidende Rolle die Versorgung von Eiweißen mit Zuckerketten im Verlauf der Embryonalentwicklung spielt.
Neuer Therapieansatz
„Es gab bereits klinische Studien in den USA sowie in Deutschland, in denen Kinder mit CDG-Ia nach der Geburt mit Mannose versorgt wurden, entweder oral oder per Infusionen in die Blutbahnen. Erfolge blieben leider aus“, erklärt Laborleiter Dr. Christian Thiel. „Der kritische Zeitpunkt, zu dem eine Einflussnahme möglich ist, muss also während der Entwicklung im Mutterleib liegen.“ Für Frauen mit einem Risiko für CDG-Ia könnte die Mannosegabe während der Schwangerschaft ein möglicher neuer Therapieansatz sein.
Das Zentrum für Kinder- und Jugendmedizin am Universitätsklinikum Heidelberg (Geschäftsführender Direktor: Professor Dr. Georg Hoffmann) gehört zu den internationalen Spitzenzentren in Forschung, Diagnostik und Behandlung von angeborenen Stoffwechselerkrankungen. Im April 2011 wurde das Zentrum für Seltene Erkrankungen - zu denen die angeborenen Stoffwechselerkrankungen gehören - am Universitätsklinikum Heidelberg gegründet, um Forschung und Versorgung von Patienten noch weiter voranzutreiben.
Literatur:
Dr. Annette Tuffs | idw
Weitere Informationen:
http://www.klinikum.uni-heidelberg.de
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