Nebenwirkungen bei möglicher Anti-Krebs-Strategie gegen Lymphome entdeckt

Prof. Jürgen Ruland (rechts) erforscht mit seiner Arbeitsgruppe unter anderem die Entstehung und Bekämpfung von Lymphomen. (Bild: A. Heddergott / TUM)

Als möglicher Therapieansatz gilt deshalb, bestimmte Funktionen von Malt1 gezielt zu blockieren und so die Krebszellen zu zerstören. Im Mausmodell zeigten Wissenschaftler der Technischen Universität München (TUM) jetzt aber, dass eine solche Blockade schwere Nebenwirkungen hervorrufen kann.

Das Protein Malt1 übernimmt in Immunzellen, so genannten Lymphozyten, viele unterschiedliche Aufgaben. Es wirkt unter anderem als Enzym, als so gennannte Protease, die Botenstoffe abbaut und so deren Menge kontrolliert. Welche Bedeutung die spezielle Protease-Funktion für die Entwicklung von Immunzellen hat, war bisher nicht bekannt. Vor einigen Jahren rückte sie in den Fokus von Prof. Jürgen Ruland und seinem Team vom Klinikum rechts der Isar der TUM.

Blockade als Therapieansatz

Anhand von Zellkulturexperimenten konnten die Wissenschaftler in früheren Studien zeigen, dass eine Blockade der Protease-Funktion von Malt1 Lymphdrüsenkrebszellen absterben ließ. Eine Idee war deshalb, diese Strategie gegen Lymphome einzusetzen, in denen Malt1 häufig aufgrund eines genetischen Defekt übermäßig aktiv war. „Es gilt als vielversprechender Therapieansatz, Substanzen zu entwickeln, die gezielt die Protease-Funktion von Malt1 hemmen.“, erklärt Andreas Gewies, Erstautor der Studie.

Der nächste Schritt war deshalb, diese Blockade jetzt im Tiermodell zu testen und damit auch die genaue Funktion der Malt1-Protease besser zu verstehen. „Gerade wenn wir die komplizierten Wechselwirkungen im Immunsystem untersuchen wollen, die auf einer hochregulierten Interaktion unterschiedlicher Zelltypen beruht, geht das nur im intakten Organismus und nicht in Zellkulturen. Die Abläufe sind zu komplex, um sie in Zellen außerhalb des Körpers nachzustellen.“, betont Ruland den Schritt ins Tiermodell.

Unerwartete Wirkungen im Mausmodell

Die verwendeten Mäuse wurden genetisch so verändert, dass ihre Malt1-Proteine nicht mehr als Protease arbeiten konnten, alle anderen Aufgaben aber noch erfüllten. Die Wissenschaftler beobachteten überraschend, dass die Mäuse starke Entzündungszeichen entwickelten. Zudem wurden wichtige Nervenzellen, die Bewegungsabläufe koordinieren, vom Immunsystem angegriffen und zerstört. Als Folge hatten die Tiere Probleme ihre Bewegungen zu kontrollieren und zu steuern.

Die Wissenschaftler konnten klären, wie es zu diesen schwerwiegenden Fehlfunktionen des Immunsystems kam und entdeckten dabei eine unerwartete Funktion von Malt1. Sie fanden heraus, dass Mäuse ohne die Protease-Funktion eine spezielle Lymphozyten-Untergruppe, die regulatorischen T-Zellen (Tregs), nicht mehr ausbilden konnten. Diese Zellen sind entscheidend für die Feinregulation von Immunantworten. Sie sorgen dafür, dass Immunantworten gebremst und vor allem streng kontrolliert werden. Ohne Tregs gerieten die Immunantworten in den Mäusen außer Kontrolle und waren übermäßig stark.

Zudem stellten die Forscher fest, dass normale Lymphozyten zwar ohne die Protease-Funktion von Malt1 aktiviert werden konnten, dann aber unkontrolliert Botenstoffe abgaben, was Entzündungen hervorrief. „Mit unserer Studie können wir zeigen, dass die Malt1-Protease überaschenderweise für die Entwicklung der regulatorischen T-Zellen und insgesamt für die Dämpfung der Immunantwort wichtig ist. Da die Blockade der Protease-Funktion im Organismus unerwünschte Wirkungen hervorruft, sollte dringend nach neuen Alternativen für die Therapie von Lymphomen gesucht werden.“, fasst Ruland die Ergebnisse zusammen.

Originalpublikation
A. Gewies, Gorka O., Bergmann H., Pechloff K., Petermann F., Jeltsch K. M., Rudelius M., Kriegsmann M., Weichert W., Horsch M., Beckers J., Wurst W., Heikenwälder M., Korn T., Heissmeyer V. und J. Ruland, Uncoupling Malt1 threshold function from paracaspase activity results in destructive autoimmune inflammation, Cell Reports, 2014.
DOI: 10.1016/j.celrep.2014.10.044

Kontakt
Prof. Dr. Jürgen Ruland
Institut für Klinische Chemie und Pathobiochemie
Klinikum rechts der Isar an der Technischen Universität München
Tel.: +49 89 4140-4751

jruland@lrz.tum.de
www.klinchem.med.tum.de

Weitere Informationen:

http://www.tum.de/die-tum/aktuelles/pressemitteilungen/kurz/article/31898/  – Dieser Text im Web

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