Mikro-U-Boote für den Magen

Erst passt man den ph-Wert an, dann setzt man den Wirkstoff frei (c) Wiley-VCH

Winzige „U-Boote“, die eigenständig durch den Magen sausen, Magensäure als Treibstoff verwenden, diese dabei rasch neutralisieren, um dann ihre Fracht passgenau beim gewünschten pH-Wert freizusetzen:

Was nach Science Fiction klingt, ist ein neuer Ansatz zur Behandlung von Magenerkrankungen mit säureempfindlichen Medikamenten, den Wissenschaftler in der Zeitschrift Angewandte Chemie vorstellen. Er basiert auf protonenangetriebenen Mikromotoren mit einer pH-abhängigen Polymerschicht, die mit Wirkstoffen beladen werden kann.

So nützlich unsere Magensäure für die Verdauung und den Schutz vor Keimen ist, so störend kann sie für die orale Verabreichung säureempfindlicher Pharmaka sein, wie Wirkstoffen auf Proteinbasis oder einige Antibiotika. Soll die Substanz erst im Darm resorbiert werden, reicht eine magensaftresistente Beschichtung oder Kapselung.

Soll das Pharmakon seine Wirkung aber bereits im Magen entfalten, beispielsweise für die Behandlung von Magengeschwüren oder einer Bakterieninfektion mit Helicobacter pylori, wird es üblicherweise mit Protonenpumpen-Hemmern kombiniert, die die Säureproduktion blockieren.

Über längere Zeit verwendet, können diese bei manchen Patienten Nebenwirkungen verursachen, wie Kopfschmerzen, Durchfall und Müdigkeit, in einigen schweren Fällen auch Angstzustände, Depressionen sowie die Muskelerkrankung Rhabdomyolyse.

Das Team um Liangfang Zhang und Joseph Wang von der University of California San Diego (La Jolla, USA) stellt mit ihren Mikromotoren jetzt einen neuartigen Ansatz zur Neutralisierung von Magensäure vor, der diese Nebenwirkungen vermeidet, und gleichzeitig als Wirkstofftransporter dient, der seine Fracht erst freigibt, sobald der benötigte pH-Wert erreicht ist.

Zur Herstellung der Motoren werden 20 µm kleine Magnesiumkügelchen mit einer Nanolage Gold und anschließend mit einem pH-sensitiven Polymer beschichtet, in das der Wirkstoff eingebettet ist. Da die Kügelchen während der Beschichtung auf einem Glasträger aufliegen, bleibt eine kleine Stelle des Magnesiumkerns frei. Unter Verbrauch von Protonen kommt es hier zu einer elektrochemischen Reaktion, bei der Magnesiumionen entstehen und Wasserstoff in Form winziger Bläschen freigesetzt wird.

Die Bläschen erzeugen einen Rückstoß, der die Motoren antreibt. Diese Bewegung sorgt für eine effektive Durchmischung der Flüssigkeit. Daher geht die Reaktion rasch vonstatten: In weniger als 20 min nach Verabreichung der Mikromotoren sollte sich das Magenmilieu auf einen neutralen pH-Wert einstellen lassen.

Ist dieser erreicht, löst sich das Polymer auf und setzt die Fracht frei. Zusätzlich verstärkt der Antrieb das Eindringen der Mikrotransporter in die Magenschleimhaut, was die Zeit verlängert, in der der Wirkstoff im Magen zurückgehalten wird. Die Mikromotoren sind biokompatibel und ihre Anwendung im Magen ist sicher. Die Magenfunktion wird nicht beeinträchtigt und der normale pH-Wert stellt sich innerhalb von 24 Stunden wieder ein.

Angewandte Chemie: Presseinfo 01/2017

Autor: Joseph Wang, University of California, San Diego (USA), http://joewang.ucsd.edu/

Link zum Originalbeitrag: http://dx.doi.org/10.1002/ange.201611774

Angewandte Chemie, Postfach 101161, 69451 Weinheim, Germany.

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Dr. Karin J. Schmitz Gesellschaft Deutscher Chemiker e.V.

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