Freund oder Feind? Immer der Nase nach

Eine Ameisenkolonie kann mehrere Millionen Bewohner beherbergen. Nur gut geschützt, überlebt die Kolonie. Dabei sind räuberische Artgenossen die größte Gefahr.

Sie können eine Kolonie in Windeseile überfallen und die Vorräte plündern. Für Ameisen ist es deshalb lebenswichtig zu erkennen, wer Feind und wer Freund ist. Dabei spielt der Duft eine wichtige Rolle. Duft wird zu einer Art „Ausweiskontrolle“ für die Eingänge zur Kolonie, die von Wächterameisen bewacht werden. Sie machen mit Feinden aus anderen Kolonien – die „falsch“ riechen – kurzen Prozess und attackieren diese massiv.

Der Biologe Prof. Giovanni Galizia von der Universität Konstanz ist den Mechanismen auf der Spur, wie Insekten Düfte wahrnehmen und was in ihrem Gehirn passiert, wenn sie Gerüche im Gehirn speichern. Gemeinsam mit Prof. Patrizia D'Ettorre von der Universität Kopenhagen hat der Biologe ganz neue faszinierende Erkenntnisse über Ameisen und ihr raffiniertes Türöffner-System gewinnen können. Die Wissenschaftler haben dabei insbesondere Kolonien der „Rossameise“ im Labor untersucht. Die neuen Forschungsergebnisse wurden in der renommierten Zeitschrift Proceedings of the Royal Society veröffentlicht, die von der Royal Society herausgegeben wird.

„Wer eine Grenze passieren will, zeigt seinen Pass. Eine Ameise, die in ihre Kolonie will, braucht den richtigen Duft“, bringt es Galizia auf den Punkt. Damit ist Duft ein lebenswichtiger Faktor im komplexen Kommunikationssystem der Ameisen. Das Riechorgan der Ameisen sind ihre Antennen. Ein kompliziertes Drüsensystem am Körper produziert die unterschiedlichsten Duftstoffe. Die Bedeutung des Duftes im Rahmen der Kommunikation der Ameisen ist seit vielen Jahren ein wichtiges Forschungsthema. Wie aber funktioniert die Duft-Kommunikation in der Ameisenkolonie genau?

„Im Prinzip standen wir zu Anfang unserer Experimente vor drei großen Möglichkeiten“, so der Biologe. Eine Option für das Wissenschaftlerteam war der Ähnlichkeitsvergleich. Galizia beschreibt, was sich dahinter verbirgt: „Die Wächterameise prüft einfach, wie ähnlich oder unähnlich der Duft der anderen Ameise ist.“ Eine zweite Möglichkeit, die die Wissenschaftler geprüft haben, war, ob es charakteristische Duftsignale im Gesamtduft gibt, auf die die Ameisen reagieren. Das könnte zum Beispiel das Wachs auf der Körperoberfläche sein. Die dritte Möglichkeit: Ameisen können tatsächlich nur ihre Feinde aktiv erkennen, nicht aber die eigenen Koloniebewohner.

Die Versuche, die Galizia und das Wissenschaftlerteam im Labor durchgeführt haben, zeigen: Es ist tatsächlich die Möglichkeit Nummer drei. Ameisen erkennen nur ihre Feinde, nicht ihre Freunde. Freunde haben gewissermaßen gar keinen Pass, sondern nur die Feinde! „Uns ist es gelungen, einzelne Substanzen des Körperdufts zu entfernen oder sie ganz gezielt hinzuzufügen. Wir konnten sehen: Nur wenn eine zusätzliche Komponente vorhanden ist, erkennt die Ameise eine andere als Feind“, erklärt der Biologe den komplizierten Mechanismus. Fehlt hingegen eine Komponente, reagiert die Ameise nicht aggressiv.

Die Versuche haben auch gezeigt, dass die Einordnung als Feind oder als Freund ganz maßgeblich von den einzelnen Substanzen im Duftcocktail abhängig ist, denn nicht alle Substanzen funktionierten. Der Duftcocktail scheint genau definiert zu sein und verträgt keine Variationen. Die Ameisen reagieren ganz gezielt auf bestimmte Substanzen, auf andere gar nicht. „Die Ameisen haben ein vorgeprägtes System von Düften, die für die „Feindschaftserkennung“ eingesetzt wird. Dies haben wir durch unsere Substanzentests im Labor herausgefunden“, erklärt Galizia.

Dabei entwickelt sich der spezielle eigene Duft insbesondere durch die Nahrung, die die Ameisen aufnehmen. Dies geschieht langsam. Eine wichtige Funktion bei der Entstehung des gemeinsamen Duftes ist die Futteraufnahme. „Die Ameisen, die die gleiche Nahrung aufnehmen, entwickeln alle miteinander einen Duft. Durch den gegenseitigen Austausch von Futter wird diese Gemeinsamkeit sogar noch gefördert“, so Galizia zur Verbindung von Sozialverhalten, Duft und Kommunikation. Die Wissenschaftler haben in diesem Zusammenhang drei Substanzen getestet: Einen langen linearen Kohlenwasserstoff, einen Kohlenwasserstoff mit einer Methylgruppe und einen mit zwei Methylgruppen. Nur die doppelt methylierten Substanzen haben gewirkt. „Vielleicht ermöglichen diese Substanzen eine größere Vielfalt in den körpereigenen Duftsignaturen“, so Galizia. Um auszuschließen, dass auch die Körperbewegungen des Tieres oder andere optische Faktoren das Freund-Feind-Verhalten beeinflussen, haben die Wissenschaftler den Tieren in einer Versuchsreihe nur noch den Duft präsentiert und geprüft: Greift das Tier an oder bleibt es gelassen?

Mit ihren neuen Forschungsergebnissen zur Rolle der Düfte bei der Erkennung von „Freund“ und „Feind“ in der Ameisenkolonie haben die Wissenschaftler Galizia und D'Ettorre grundlegende Informationen zum Kommunikationsverhalten von Ameisen gewinnen können. „Das ist ein großer und zugleich winziger Schritt. Wir werden noch viele Experimente machen dürfen, bevor wir die Kommunikation dieser faszinierenden Tiere wirklich umfassend verstehen“, so Galizia.

Mehr Informationen:
Ants recognize foes and not friends
Fernando J. Guerrieri, Volker Nehring, Charlotte G. Jørgensen, John Nielsen, C. Giovanni Galizia, and Patrizia d'Ettorre
Proc R Soc B published 1 April 2009, 10.1098/rspb.2008.1860
http://rspb.royalsocietypublishing.org/cgi/content/abstract/rspb.2008.1860v1

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