Aus einem chemischen Dilemma könnte sich nun ein Ausweg abzeichnen. Ein internationales Team um Wissenschaftler des Max-Planck-Instituts für Festkörperforschung in Stuttgart hat die Vorteile zweier verschiedenartiger Katalysatoren, die chemische Reaktionen beschleunigen und oft in eine gewünschte Richtung steuern, miteinander kombiniert: Sie haben auf einer Kupferoberfläche ein Netz aus Eisenatomen und organischen Molekülen erzeugt und damit Sauerstoffmoleküle gespalten.
Chemie in zwei Dimensionen: Stuttgarter Forscher haben einen Enzym-ähnlichen Katalysator aus zwei Eisenatomen (violett) und vier Terephthalsäure-Molekülen auf eine Kupferoberfläche gebracht. Sie verbinden auf diese Weise die ausgesprochen präzise Funktionsweise von Enzymen mit der einfachen Handhabbarkeit fester Katalysatoren.
© NanoLetters / MPI für Festkörperforschung
Wie Sauerstoff-Moleküle an einigen Enzymen gespalten werden, lässt sich an dem metallorganischen Netz mit zwei Eisenatomen an den Knotenpunkten studieren: Auf beide Eisentatome setzt sich jeweils ein Sauerstoff-Molekül. Die Moleküle zerfallen in insgesamt vier Atome. Zwei davon bilden ein neues Molekül, die anderen beiden (gestrichelte Kreise) finden einen Platz an den Eisenatomen und verschieben dabei zwei organische Moleküle. © NanoLetters / MPI für Festkörperforschung
Das metallorganische Netz gleicht der zweidimensionalen Version eines Enzyms, also eines Biokatalysators, der im wässrigen Milieu einer Zelle Moleküle mit Sauerstoff umsetzt, ohne dass diese gleich komplett in Kohlendioxid zerlegt werden. Auf der Kupferoberfläche lässt sich der Katalysator leichter handhaben als in einer wässrigen Lösung. Katalysatoren dieser Art könnten für die chemische Industrie interessant sein, um Sauerstoff gezielt in organische Verbindungen einzubauen und etwa das Gas Methan in das besser transportierbare Methanol umzuwandeln.
Ohne Katalysatoren läuft in der chemischen Industrie nicht viel. Die Hilfsmittel beschleunigen Reaktionen zwischen verschiedenen Molekülen und helfen so Energie zu sparen, lenken eine Umsetzung zum gewünschten Ergebnis, und manchmal machen sie eine Reaktion erst möglich. Doch leider sind die selektivsten Katalysatoren, die selbst anspruchsvolle chemische Umsetzungen präzise steuern, für großtechnische Prozesse recht unpraktisch. Enzyme etwa arbeiten als Biokatalysatoren absolut zuverlässig, aber nur in einer flüssigen Umgebung. Daher müssen Ausgangsstoffe, Produkte und der Katalysator nach einer Reaktion aufwendig voneinander getrennt werden. Im Gegensatz zu dieser homogenen Katalyse strömen die Reaktionspartner bei der heterogenen Katalyse flüssig oder gasförmig über einen festen Katalysator, was die Aufarbeitung enorm erleichtert. Dafür scheitern heterogene Katalysatoren oft an Reaktionen, die eine besondere Raffinesse erfordern.
Wissenschaftler des Max-Planck-Instituts für Festkörperforschung verbinden nun die Präzision homogener Katalysatoren, genauer gesagt von Enzymen, mit der einfachen Handhabbarkeit von festen Katalysatoren. Sie haben einen enzymähnlichen Katalysator wie ein Netz über einen Festkörper gelegt und daran die Spaltung molekularen Sauerstoffs untersucht. Zu diesem Zweck dampften die Forscher Eisenatome und die organische Terephthalsäure so wohldosiert auf eine Kupferoberfläche, dass sich das filigrane Netz von selbst formte. Dessen Kontenpunkte bilden dabei jeweils zwei Eisenatome, die über die organischen Säure miteinander verknüpft sind.
Die Details der SauerstoffspaltungMit dem Katalysator aus zweiatomigen Eisenknoten und organischen Säureliganden spalteten die Forscher nun Sauerstoffmoleküle. Diesen Prozess beobachteten sie durch ein Rastertunnelmikroskop und mittels Röntgenabsorptionsspektroskopie, und stellten auf der Basis der spektroskopischen Daten Rechnungen an, die den Ablauf der Reaktion Schritt für Schritt wiedergeben. Mit dem Ergebnis, dass sie die gängige Vorstellung von dem Reaktionsmechanismus an solchen Eisenkatalysatoren revidieren mussten.
Im ersten Schritt setzt sich den Untersuchungen zufolge auf jedes der beiden Eisenatome ein Sauerstoffmolekül. Nun löst sich zunächst die Bindung in einem der adsorbierten Sauerstoffmoleküle und die getrennten Sauerstoffatome wandern auseinander, um den vorhandenen Platz am Eisenatom möglichst gut auszunutzen. Eines der beiden Atome kommt dabei dem Sauerstoffmolekül auf dem benachbarten Eisenatom nahe und zupft quasi ein Atom aus diesem Molekül ab, so dass ein neues Molekül entsteht. Dieses überbrückt die beiden Eisenatome und zieht diese ein bisschen zusammen. Im nächsten Schritt löst sich das neugebildete Molekül ab und an beiden Eisenatomen bleibt jeweils ein Sauerstoffatom zurück.
Auf der Suche nach Katalysatoren für die Gewinnung von Wasserstoff„Der Mechanismus erklärt auch, warum ein einzelnes Eisenatom an den Knoten des metallorganischen Netzes nicht reicht, um Sauerstoff zu spalten“, sagt Sebastian Stepanow. Tatsächlich fand keine Spaltungsreaktion statt, als die Stuttgarter Forscher Sauerstoff über ein Netz derselben Strickart mit nur einem Eisenatom zwischen den Säuremolekülen strömen ließen.
Aber auch der metallorganische Katalysator mit zweiatomigen Eisenzentren eignet sich für die Praxis noch nicht, weil die Reaktion nach der Sauerstoffspaltung nicht stehen bleibt. Denn die vereinzelten Sauerstoffatome bleiben nur für kurze Zeit oben auf dem Eisen sitzen, bevor sie den Kontakt zur Kupferoberfläche suchen. Dabei schieben sie jeweils ein Säuremolekül zur Seite, was die Stuttgarter Forscher gut im Bild des Rastertunnelmikroskops erkennen konnten. Die Sauerstoffatome selbst landen halbwegs zwischen Eisenatom und Kupferoberfläche, so dass eventuelle Reaktionspartner nicht mehr an sie herankommen. „Wir suchen daher nach stabilen metall-organischen Systemen, die die gespaltenen Sauerstoffatome in einer weiteren Reaktion umsetzen können.“, sagt Klaus Kern. Solche Katalysatoren könnten dann auf breiter Fläche diffizile chemische Umwandlungen steuern, wie etwa die Spaltung von Wassermolekülen zur Gewinnung von Wasserstoff als Energieträger.
AnsprechpartnerNano Letters, 14. Dezember 2011; DOI: 10.1021/nl2031713
Dr. Sebastian Stepanow | Max-Planck-Institut
Weitere Informationen:
http://www.mpg.de/4731459/
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