Das Erbgut des Pferds ist entschlüsselt

Die Erbsubstanz, das Genom, besteht aus einer Abfolge von 4 chemischen Bausteinen, die mit A, C, G und T abgekürzt werden. „Man kann sich das wie einen Text in einer fremden Sprache vorstellen, in deren Alphabet es nur vier Buchstaben gibt“, erklärt Prof. Tosso Leeb vom Institut für Genetik der Vetsuisse-Fakultät an der Universität Bern.

Das Lesen des „Genom-Textes“ wird allerdings dadurch erschwert, dass es in der Erbsubstanz keine Leer- oder Satzzeichen gibt. Um die Abfolge in einem Genom vollständig zu entschlüsseln, bedarf es deshalb einer sehr guten Abstimmung zwischen vielen Forschenden, damit die Daten aus Millionen Einzelexperimenten in der richtigen Weise zusammengesetzt werden.

Einem internationalen Forschungsteam ist es nun gelungen, die 2.7 Milliarden Bausteine des Pferde-Genoms zu entziffern; die Ergebnisse dieser Forschungsarbeit wurden in „Science“ veröffentlicht. Leeb, der am Projekt beteiligt ist, veranschaulicht den Umfang der Datenmenge: „Wenn man die 2.7 Milliarden Buchstaben des ?Genom-Textes? in einer normalen Schriftgrösse auf Papier ausdrucken würde, ergäbe dies einen 50 Meter hohen Papierstapel.“

„Tigerscheckung“ und Nachtblindheit
Leeb hat bereits vor seiner Zeit an der Universität Bern am Erbgut des Pferds geforscht. In einem Teilprojekt, das in Hannover und Braunschweig durchgeführt wurde, hat er zusammen mit niedersächsischen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern einzelne Stücke der Genomabfolge in die richtige Reihenfolge gebracht. Die Hauptarbeit des Projekts, nämlich die Entschlüsselung von mehreren Millionen Einzelstücken, leistete das amerikanische Broad Institute in Boston. Gleichzeitig mit der Genomsequenz wurden auch Unterschiede zwischen verschiedenen Pferden ermittelt – bis heute sind Unterschiede an über einer Million Positionen im Erbgut des Pferds bekannt. Diese Kenntnisse helfen dabei, nach Veränderungen des Erbguts zu suchen, die für bestimmte Eigenschaften oder Krankheiten verantwortlich sind. Als Beispiel wurde in der aktuellen Veröffentlichung die Mutation für die sogenannte „Tigerscheckung“ untersucht – einem Muster von schwarzen Tupfen auf weissem Fell. Wenn die ursächliche Erbgutveränderung mischerbig nur auf einer der beiden elterlichen Erbanlagen sitzt, bewirkt sie lediglich das auffällige Fellmuster. Liegt sie jedoch reinerbig auf der mütterlichen und väterlichen Erbanlage vor, dann sind die Pferde fast völlig weiss und leiden an Nachtblindheit.
Forschung am Pferd nützt auch dem Menschen
In Zukunft soll die nun bekannte Genomsequenz auch die Forschung von anderen Merkmalen erleichtern, die ganz oder teilweise erblich bedingt sind. Genau wie der Mensch können Pferde zum Beispiel Asthma bekommen. Durch die Asthma-Forschung beim Pferd – einem Gebiet, das am Tierspital Bern intensiv bearbeitet wird – erhofft sich die Wissenschaft wichtige Erkenntnisse auch für die Humanmedizin. Weiter liefern Pferde wichtige Daten für die Sportmedizin, weil bei ihnen Merkmale des Bewegungsapparates wie zum Beispiel Muskelfunktion, Ausdauer, Schnelligkeit oder auch Veränderungen der Gelenke besonders intensiv studiert werden.

Media Contact

Matthias Abplanalp idw

Weitere Informationen:

http://www.unibe.ch

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