Energiepflanzen sind unterschiedlich klimafreundlich

In Sachen Bioenergie kann Deutschland noch viel von seinen Nachbarn lernen. Das wurde jetzt auf einer europäischen Forschertagung in Braunschweig deutlich, die vom Johann Heinrich von Thünen-Institut (vTI) ausgerichtet wurde. Eine besonders klimaverträgliche Nutzung von Energiepflanzen machen uns die britischen, skandinavischen und baltischen Staaten vor.

Welchen Beitrag kann die Landwirtschaft zum Klimaschutz in Europa leisten? Mit dieser Frage befassten sich mehr als 100 Wissenschaftler bei der Jahrestagung des europäischen Forschungprojekts „GHG-Europe – Treibhausgas-Management in europäischen Landnutzungssystemen“. Das Johann Heinrich von Thünen-Institut (vTI) in Braunschweig koordiniert das Projekt und richtete die Tagung aus.

Im Rahmen des GHG-Europe-Projekts haben Wissenschaftler erstmals die Treibhausgasbilanzen beim Anbau unterschiedlicher Bioenergiepflanzen aus ganz Europa ermittelt. Bereits mit kurzen Messreihen konnten sie aussagekräftige Ergebnisse ableiten, da sich an vielen verschiedenen Standorten die gleichen Trends zeigten.

Bioenergie wird aus pflanzlicher Biomasse gewonnen, zum Beispiel aus Holz und Ackerfrüchten, aber auch aus Reststoffen der landwirtschaftlichen Produktion wie Gülle. In Deutschland werden aus landwirtschaftlicher Biomasse hauptsächlich Biokraftstoffe (E10 oder Biodiesel) und Biogas hergestellt. Die „Bioenergie-Platzhirsche“ auf deutschen Äckern sind Raps und Mais, alternative Energiepflanzen wie Chinagras oder Pappeln haben in Deutschland bisher kaum Fuß fassen können. Landläufig gilt Bioenergie als CO2-neutral, doch das ist bei näherem Hinsehen nicht ganz richtig. Bei der Produktion können erhebliche Mengen Treibhausgase entstehen. Daher steht die Frage im Raum: Welche Bioenergiepflanzen sind am effektivsten für den Klimaschutz?

Die auf der Tagung in Braunschweig präsentierten Messdaten bekräftigten, was seit Jahrzehnten von Fachkreisen gemahnt wird: Herkömmliche Bioenergieträger wie Biodiesel, Bioethanol und Biogas aus Mais und Raps sind erheblich energie- und nährstoffhungriger als schnellwüchsige mehrjährige Gräser und Gehölze. Dies liegt unter anderem am hohen Stickstoffbedarf von Mais und Raps; die Herstellung von Stickstoffdüngern ist ein energieaufwändiger Prozess. Auch setzen die Ackerböden nach der Düngung Lachgas frei – ein Gas, fast 300-mal so klimaschädlich wie Kohlendioxid. Damit wird ein Teil des positiven Effekts von herkömmlicher Bioenergie wieder zunichte gemacht. Mehrjährige Gräser und Hölzer hingegen können im Winter geerntet werden, wenn die meisten Nährstoffe in den Pflanzenwurzeln gespeichert sind und im nächsten Jahr wieder für das Wachstum zur Verfügung stehen. Pappelplantagen, so zeigten die Wissenschaftler, emittierten 40 bis 99 Prozent weniger Lachgas als Mais- oder Rapsfelder – bei vergleichbaren Energieerträgen. Darüber hinaus konnte unter Weiden und Pappeln ein deutlicher Humusaufbau über mehrere Jahre festgestellt werden. Diese Kohlenstoff-Festlegung (Sequestrierung) im Boden trägt zusätzlich zum Klimaschutz bei.

Mehrjährige Gräser und Bäume eignen sich für nasse und nährstoffarme Flächen und für eine klimafreundliche Form der Moornutzung, dort wo bisher Maisäcker für Biogas den Klimawandel anheizen.

Schnellwüchsige Pflanzen wie Miscanthus (Chinaschilf), Rohrglanzgras und Weiden werden bereits auf mehreren zehntausenden Hektar Fläche auf den britischen Inseln, in Skandinavien und den baltischen Staaten kommerziell angebaut und in Kraftwerken zur Wärme- und Stromproduktion beigemischt. Dr. Axel Don vom vTI-Institut für Agrarrelevante Klimaforschung, Koordinator des GHG-Europe-Projekts, betont: „Während die aus Sicht des Klimaschutzes effizientesten mehrjährigen Energiepflanzen in Deutschland noch erforscht werden, sind sie in vielen Nachbarländern längst praxisreif und Nummer eins der Bioenergieproduktion. Die deutsche Bioenergieförderung hat die effizientesten Klimaschutzwege bisher vernachlässigt.“

Weitere Informationen zum GHG-Europe-Projekt finden sich im Internet unter:
http://www.ghg-europe.eu (in englisch).

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Dr. Michael Welling vTI

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