Dosiskompensation bei Fliegenmännchen

Abbildung eines ausgebreiteten Chromosoms. Das männliche X-Chromosom ist hier vom in gelb dargestellten MSL Komplex umgeben, die anderen Chromosomen sind in blau visualisiert. <br>© Thomas Conrad <br>

Das Geschlecht vieler Organismen wird durch die Anzahl der X-Chromosomen vermittelt. Beim Menschen beispielsweise besitzen Frauen zwei X- Chromosomen, während Männer nur ein X-Chromosom, dafür aber ein zusätzliches Y-Chromosom haben. Gleiches gilt für andere Säugetiere aber auch für Fruchtfliegen.

Wie genau es dazu kommt, dass trotzdem kein Ungleichgewicht in der Ausprägung wichtiger Gene auf dem X-Chromosom entsteht, haben Asifa Akhtar und ihre Kollegen vom Max-Planck-Institut für Immunobiologie und Epigenetik in Freiburg gemeinsam mit dem Labor von Nicholas Luscombe am Europäische Bioinformatik Institut in Cambridge, Großbritannien, untersucht. Sie zeigten dabei erstmals, dass bei Fruchtfliegenmännchen die Initiationsphase der mRNA – Synthese angeregt wird um dieses Ungleichgewicht auszugleichen.

Die meisten Organismen haben eine Strategie entwickelt, um sicher zu stellen, dass für beide Geschlechter wichtige X-chromosomale Gene ausreichend abgelesen werden. Diese bezeichnet man als Dosiskompensation. Während der Ausgleich bei Säugetieren über die Inaktivierung eines der beiden X-Chromosomen im Weibchen erfolgt, werden bei Fruchtfliegen die auf den X-Chromosomen liegenden Gene der Männchen doppelt so stark ausgeprägt.

Dies erfolgt über den Dosiskompensationskomplex, welcher den Verpackungsgrad des männlichen X-Chromosoms verringert und dieses so besonders gut für Transkriptionsfaktoren zugänglich macht. Wie genau diese Veränderung der Chromatinstruktur jedoch die Ausprägung X-chromosomaler Gene erleichtert war bisher nur unzureichend erforscht.

Wissenschaftler des Max-Planck-Instituts für Immunobiologie und Epigenetik wiesen die Funktionsweise nun erstmals nach, in dem sie die Genausprägung in Zellen des gleichen Gewebes von männlichen und weiblichen Fruchtfliegen verglichen. Das Ablesen eines Gens – die Transkription – beginnt mit dem Enzym RNA-Polymerase II, das an den Promotor eines DNA-Strangs bindet und so die Geninformation abliest. Die Forscher zeigten, dass es für die Verdopplung entscheidend ist, wie viel Polymerase II auf die Promotoren des männlichen X Chromosoms geladen wird. „Je mehr Polymerase II an den Promotor bindet, desto höher ist die Frequenz der Transkription“, sagt Akhtar. Der entscheidende Schritt findet also in der sogenannten Initiationsphase statt.

Damit wiesen die Forscher erstmals nach, wieso Gene auf dem X-Chromosom in männlichen Fruchtfliegen mehr abgelesen als bei weiblichen und erhielten somit Einblick in das fundamentale Zusammenspiel von DNA Struktur und Genausprägung. „Wir wollen nun unbedingt auch herausfinden, wie genau der Einsatz der doppelten Polymerase-Menge zur doppelten Ausprägung des männlichen X-Chromosoms führt“, so Akhtar.

Ansprechpartner
Asifa Akhtar
Max-Planck-Institut für Immunbiologie und Epigenetik
Telefon: +49 761 5108565
Email: akhtar@­immunbio.mpg.de

Thomas Conrad
Max-Planck-Institut für Immunbiologie und Epigenetik
Telefon: +49 761 5108-691
Email: conrad@­ie-freiburg.mpg.de
Linda Schmidl
Max-Planck-Institut für Immunbiologie und Epigenetik
Telefon: +49 761 5108-564
Fax: +49 761 5108-566
Email: presse@­ie-freiburg.mpg.de
Originalveröffentlichung
Conrad, Cavalli, Vaquerizas, Luscombe, Akthar
Drosophila dosage compensation involves enhanced POL II recruitment to male X-linked promotors

Science, 19th July 2012

Media Contact

Asifa Akhtar Max-Planck-Institut

Alle Nachrichten aus der Kategorie: Biowissenschaften Chemie

Der innovations-report bietet im Bereich der "Life Sciences" Berichte und Artikel über Anwendungen und wissenschaftliche Erkenntnisse der modernen Biologie, der Chemie und der Humanmedizin.

Unter anderem finden Sie Wissenswertes aus den Teilbereichen: Bakteriologie, Biochemie, Bionik, Bioinformatik, Biophysik, Biotechnologie, Genetik, Geobotanik, Humanbiologie, Meeresbiologie, Mikrobiologie, Molekularbiologie, Zellbiologie, Zoologie, Bioanorganische Chemie, Mikrochemie und Umweltchemie.

Zurück zur Startseite

Kommentare (0)

Schreiben Sie einen Kommentar

Neueste Beiträge

Diamantstaub leuchtet hell in Magnetresonanztomographie

Mögliche Alternative zum weit verbreiteten Kontrastmittel Gadolinium. Eine unerwartete Entdeckung machte eine Wissenschaftlerin des Max-Planck-Instituts für Intelligente Systeme in Stuttgart: Nanometerkleine Diamantpartikel, die eigentlich für einen ganz anderen Zweck bestimmt…

Neue Spule für 7-Tesla MRT | Kopf und Hals gleichzeitig darstellen

Die Magnetresonanztomographie (MRT) ermöglicht detaillierte Einblicke in den Körper. Vor allem die Ultrahochfeld-Bildgebung mit Magnetfeldstärken von 7 Tesla und höher macht feinste anatomische Strukturen und funktionelle Prozesse sichtbar. Doch alleine…

Hybrid-Energiespeichersystem für moderne Energienetze

Projekt HyFlow: Leistungsfähiges, nachhaltiges und kostengünstiges Hybrid-Energiespeichersystem für moderne Energienetze. In drei Jahren Forschungsarbeit hat das Konsortium des EU-Projekts HyFlow ein extrem leistungsfähiges, nachhaltiges und kostengünstiges Hybrid-Energiespeichersystem entwickelt, das einen…

Partner & Förderer