Quecksilber kann auch mit vier Partnern

Professor Martin Kaupp vom Institut für Anorganische Chemie der Uni Würzburg hat schon 1993 in derselben Zeitschrift vorausgesagt, dass es für Quecksilber eine weitere Oxidationsstufe geben müsse. Normalerweise ist das Element maximal zweiwertig, das heißt es verbindet sich nur mit zwei weiteren Atomen.

Kaupp behauptete aber, dass auch die vierwertige Stufe in Form des Quecksilbertetrafluorids, HgF4, experimentell zugänglich sein sollte: Darin sind vier Fluor-Atome quadratisch um ein Quecksilberatom angeordnet. „Ich habe dazu quantenchemische Rechnungen durchgeführt und Synthesewege vorgeschlagen“, sagt Kaupp. Zuletzt hatte in dem Würzburger Arbeitskreis Dr. Sebastian Riedel in seiner Dissertation durch neue Berechnungen die Aufmerksamkeit der Forscher auf diese noch offene Frage der Anorganischen Chemie gelenkt.

Doch so sehr sich experimentelle Chemiker auch bemüht hatten – bis vor kurzem war es nicht gelungen, das entscheidende Experiment zum Erfolg zu führen. Auch Lester Andrews von der University of Virginia war zu dieser Frage immer wieder in Diskussionen mit den Würzburger Theoretikern gewesen. Ihm gelang es nun, zusammen mit seinem Mitarbeiter Xuefang Wang das HgF4 zweifelsfrei nachzuweisen, und zwar mit entscheidender Unterstützung der Theoretiker aus Würzburg, welche die Identifizierung durch Berechnung der Schwingungsspektren möglich machten.

Das Experiment ist nicht ganz einfach. Es muss bei sehr niedrigen Temperaturen ablaufen, nämlich bei frostigen vier bis zehn Kelvin, also bei weniger als minus 260 Grad Celsius. In dieser Kälte werden Edelgase zu Feststoffen. Die Chemiker verwendeten Neon – ein sehr „faules“ Material, das nicht gerne chemisch reagiert – und bestückten es mit Quecksilberatomen und Fluor-Molekülen. Dann erwärmten sie das Ganze um einige Grad und belichteten es. Das bewirkt den Zerfall der Fluor-Moleküle in Atome, die sich dann wiederum mit dem Quecksilber verbinden. Heraus kamen zu 90 Prozent die bekannte Verbindung aus einem Quecksilber- und zwei Fluor-Atomen (HgF2), zu circa zehn Prozent aber auch das bislang nie dagewesene HgF4. Damit war der experimentelle Beweis erbracht, dass die Vorhersage von Kaupp richtig war.

„Eine praktische Anwendung gibt es dafür zwar noch nicht“, so der Chemiker. Für das Periodensystem der Elemente aber haben die Experimente Folgen: Die Elemente in der Gruppe 12 (Zink, Cadmium und Quecksilber) wurden bislang als so genannte Postübergangsmetalle oder „repräsentative Elemente“ betrachtet. Nun aber kommt dem Quecksilber in dieser Gruppe eine Sonderposition zu, „es kann jetzt als Übergangsmetall aufgefasst werden, da es im HgF4 Elektronenschalen – so genannte d-Orbitale – verwendet, die nur Übergangsmetallen zur Verfügung stehen“, sagt Kaupp.

Dass dieses Forschungsergebnis von Bedeutung ist, zeigt sich auch daran, dass es in einer Rekordzeit von drei Tagen Begutachtung von der Angewandten Chemie, der wichtigsten internationalen Chemie-Zeitschrift, angenommen und dort als very important paper eingestuft wurde. Und alltäglich sind die Erkenntnisse von Kaupp, Riedel und ihren US-Kollegen wahrlich nicht: „Das letzte Mal, dass in der Chemie eine neue Oxidationsstufe für ein Element experimentell gefunden wurde, liegt schon fast 20 Jahre zurück“, sagt der Würzburger Professor.

Mercury is a Transition Metal: The First Experimental Evidence for HgF4, von Xuefang Wang, Lester Andrews, Sebastian Riedel, Martin Kaupp, Angewandte Chemie, DOI: 10.1002/anie.200703710

Weitere Informationen: Prof. Dr. Martin Kaupp, T (0931) 888-5281, kaupp@uni-wuerzburg.de

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Robert Emmerich idw

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