SARS als Modellseuche, von der man lernen kann

Ihnen ist gemeinsam, dass ein auf Tiere spezialisierter Erreger plötzlich auch Menschen infiziert. Oft steht das humane Immunsystem der neuen Herausforderung mehr oder weniger machtlos gegenüber; entsprechend verheerend können Zoonosen wüten. Doch wie erfolgt überhaupt der Sprung über die Artgrenze? Und aufgrund welcher Faktoren werden manche Erreger dann so extrem aggressiv?

Wissenschaftler der Universität Bonn wollen zusammen mit Kollegen aus Hannover, Freiburg, Gießen und dem südafrikanischen Johannesburg diesen Fragen nachgehen. Als „Modellseuche“ gilt ihnen dabei die SARS-Erkrankung.

Im November 2002 berichtete China über erste Fälle einer bis dato unbekannten Infektionskrankheit. Rund 8.000 Menschen wurden in den darauf folgenden Monaten von ihr befallen, 10 Prozent starben. Dabei reiste die Seuche um die Welt: Allein in Kanada steckten sich mehr als 200 Menschen an. Auch aus Deutschland und Großbritannien wurden im Frühjahr 2003 Krankheitsfälle gemeldet. Hamburger Wissenschaftlern aus dem Team um Professor Dr. Christian Drosten gelang es schließlich, den Erreger des „Schweren Akuten Atemwegssyndroms“ – besser bekannt unter dem Kürzel SARS – zu identifizieren. Es handelt sich um ein so genanntes Coronavirus, welches normalerweise in Fledermäusen vorkommt, dort aber keine Symptome hervorruft.

Drosten ist kürzlich an die Universität Bonn gewechselt, das Thema „SARS“ beschäftigt ihn jedoch weiterhin: Er leitet ein durch das BMBF gefördertes Projekt, in dem die gefährliche Atemwegs-Infektion gewissermaßen als Modell-Zoonose für andere Erkrankungen herhält. „Wildtiere werden genauso von Viren befallen wie wir“, sagt er. „In der Regel sind Erreger und Wirt aber so gut aneinander angepasst, dass die Erkrankung nur schwach verläuft – in einem toten Organismus kann sich ein Virus schließlich nicht vermehren. Wir wollen unter anderem herausfinden, wie es der SARS-Erreger schafft, in den Fledermäusen zu überdauern, ohne von ihrem Immunsystem vernichtet zu werden.“ Das Kalkül dahinter: Wenn es gelänge, diese Mechanismen zu durchbrechen, könnte man dem Virus seine Lebensgrundlage entziehen – ein Ansatz, dem auch die Freiburger Projektpartner nachgehen.

Die Forscher wollen aber auch eine weitere Frage beantworten: Es gibt Tausende von Tierkrankheiten, doch kaum eine wird dem Menschen wirklich gefährlich. Gibt es bestimmte Merkmale, an denen man Zoonose-Kandidaten direkt erkennen kann? „Wir wollen nicht warten, bis es zur Katastrophe kommt“, betont Drosten. „Stattdessen möchten wir gefährliche Erreger aufspüren, solange sie noch auf das Tier beschränkt sind.“ Die Wirte könnte man dann beispielsweise gezielt immunisieren – ähnlich, wie man es im Falle der Tollwut europaweit mit Erfolg vorgemacht hat.

Das Bundesforschungsministerium fördert das Projekt mit rund 3,5 Millionen Euro, von denen 1,7 Millionen nach Bonn fließen. „Hier in Bonn wollen wir ganz gezielt einzelne Gene des SARS-Erregers ausschalten und dann untersuchen, wie infektiös die so veränderten Viren noch sind“, erklärt der Mediziner. Kollegen aus Hannover untersuchen zugleich, welche Strukturen der Virus als Eintrittpforte in die Zellen nutzt – wichtig unter anderem, um den Sprung über die Artengrenze zu verstehen. Gießener Tierspezialisten fokussieren sich dagegen auf eine Seuche, die momentan (noch?) auf Katzen beschränkt ist: die feline infektöse Peritonitis, eine für Katzen meist tödliche Bauchfellentzündung.

Eine Schlüsselrolle spielt auch die Arbeitsgruppe aus Südafrika: Hier wird der ursprüngliche Wirt des SARS-Virus genauer unter die Lupe genommen – die Fledermaus.

Kontakt:
Professor Dr. Christian Drosten
Leiter des Instituts für Virologie am Universitätsklinikum Bonn
Telefon: 0228/287-11055
E-Mail: drosten@virology-bonn.de

Media Contact

Frank Luerweg idw

Weitere Informationen:

http://www.uni-bonn.de

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