Emotionen als bio-kulturelle Prozesse – Neue ZiF-Forschungsgruppe 2004/2005

Die Debatten um Emotionen sind in den einzelnen Fachrichtungen bis in die Gegenwart hinein von der im abendländischen Denken tief verwurzelten Körper-Geist-Polarisierung geprägt worden.

Emotionen werden auf der einen Seite als biologische ’angeborene’ Phänomene gesehen, die durch soziale und kulturelle Faktoren lediglich oberflächlich variiert, nicht aber bedingt werden. Die diesem Ansatz entgegengesetzte Position besteht darin, Emotionen als in erster Linie sozial und kulturell geformt anzusehen und der Physiologie nur eine untergeordnete Bedeutung zuzusprechen. Die Vertreter dieser Position betrachten Emotionen in erster Linie als Einschätzungen und Bewertungen und somit als geistige, kognitive Phänomene: Was ein Mensch in einer bestimmten Situation fühlt, wird strukturiert durch sein Verständnis, seine Einschätzung der Situation und ist somit abhängig von erlernten, kulturspezifischen Kodizes und Denkmodellen.

Die neue Forschungsgruppe „Emotionen als bio-kulturelle Prozesse“, die jetzt am 29. März im Zentrum für interdisziplinäre Forschung (ZiF) der Universität Bielefeld ihre Arbeit (bis zum 31. März 2005) aufnimmt, hat es sich zur Aufgabe gemacht, derartig vereinfachende Auffassungen zu überwinden und Emotionen als Ergebnisse komplexer biologischer, sozialer und kultureller Interaktionen zu begreifen. Die von dem Hirnforscher Hans J. Markowitsch (Bielefeld) und der Ethnologin Birgitt Röttger-Rössler (Göttingen) geleitete Forschungsgruppe will einen Brückenschlag zwischen den an der Emotionsforschung beteiligten Natur- und Kulturwissenschaften leisten. Dazu werden im Laufe des kommenden Jahres verschiedene namhafte Wissenschaftlerinnen Wissenschaftler aus dem In- und Ausland nach Bielefeld kommen und als Fellows am ZiF wohnen und arbeiten.

Während der Eröffnungskonferenz werden von den Teilnehmerinnen und Teilnehmern unterschiedliche innovative Ansätze vorgestellt, die Emotionen als komplexe bio-kulturelle Synergismen begreifen. Auf diese Weise soll die immer noch herrschende Spaltung zwischen Körper und Geist, zwischen Natur und Kultur bei der Erforschung der menschlichen Emotionalität überwunden werden. Die Spannbreite der bei der Tagung und in der Forschungsgruppe vertretenen Disziplinen reicht dabei von der Neurobiologie, physiologischen Psychologie, Psychiatrie und Sozialpsychologie über Philosophie, Geschichte und Musikwissenschaft bis hin zu Soziologie, Ethnologie und Anthropologie mit Beiträgen u. a. von Jack Barbalet (Leicester/GB), Irene Daum (Bochum), William Jankowiak (Las Vegas/USA), Alf Lüdtke (Erfurt), Margot Lyon (Canberra/AUS), Jaak Panksepp (Ohio/USA), Bradd Shore (Atlanta/USA).

Am 29. März wird Professor Udo Will, kognitiver Ethnomusikologe aus Columbus, Ohio, um 19.00 Uhr im ZiF-Plenarsaal in einem Vortrag zum Thema „Musik – Sprache der Gefühle?“ eine mögliche Neuorientierung der musikalischen Emotionsforschung skizzieren.

Zuvor werden die Leiter der Forschungsgruppe, Prof. Dr. Hans J. Markowitsch und Dr. Röttger-Rössler am Montag, den 29. März, um 13.00 Uhr im Rahmen einer Pressekonferenz im ZiF die Arbeit der Forschungsgruppe vorstellen.

Tagungsbüro des ZiF:
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Inhaltliche Fragen beantwortet:
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E-Mail: zebadmin@uni-bielefeld.de.

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Dr. Gerhard Trott idw

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