Laktat: eine Schlüsselsubstanz bei Krebs

In der aktuellen Ausgabe der Fachzeitschrift Cancer Research ist ein Übersichtsartikel zum Thema „Laktat und seine Schlüsselrolle bei Krebs“ erschienen: Autoren sind eine Gruppe von Wissenschaftlern um Univ.-Prof. Dr. Wolfgang Müller-Klieser vom Institut für Physiologie und Pathophysiologie der Universitätsmedizin Mainz. Die Mainzer Wissenschaftler wurden vom Herausgeber der international renommierten Zeitschrift eingeladen, den aktuellen Wissensstand auf diesem Forschungsgebiet zusammenzufassen.

Die Arbeitsgruppe um Prof. Müller-Klieser beschäftigt sich bereits seit Jahren intensiv mit dem Glucosestoffwechsel von Tumoren: So weisen bösartige Krebszellen häufig einen erhöhten Glukoseumsatz bzw. eine hohe Glykolyseaktivität auf und produzieren durch diese hohe Glykolyserate mehr oder weniger große Mengen an Laktat. „1924 wies Otto Warburg erstmals eine erhöhte Laktatproduktion in isolierten Tumorzellen nach“, erläutert Univ.-Prof. Dr. Wolfgang Müller-Klieser. „Während in der Folgezeit das Thema ‚Laktat und Krebs’ nur relativ wenig wissenschaftliche Aufmerksamkeit bekam, erlebt es seit einigen Jahren eine echte Renaissance.“ Dies liege unter anderem an neuen genetischen Erkenntnissen und daran, dass die Mediziner den erhöhten Glukoseumsatz von Tumoren heute vielfältig bei modernen bildgebenden Verfahren zur Tumordiagnostik nutzen.

„Wir wissen heute, dass Laktat als Stoffwechselprodukt der Glykolyse eine Relevanz für viele Tumoreigenschaften hat“, so Univ.-Prof. Dr. Müller-Klieser. „Welche Eigenschaften dies sind, fasst der aktuelle Übersichtsartikel zusammen.“ Dabei ergeben sich insbesondere zwei Facetten: Zum einen konnten die Wissenschaftler zeigen, dass die Intensität der Laktatanreicherung in soliden Primärtumoren in engem Zusammenhang mit der Wahrscheinlichkeit der Bildung von Metastasen und mit der Überlebensrate der Patienten steht. Die quantitative Bestimmung von Laktat im Tumorgewebe könnte also wichtige prognostische Aussagen liefern. Ein entsprechendes Verfahren, mit dem die Menge an Laktat an jeder Stelle des Tumorgewebes – also ortsaufgelöst – bestimmt werden kann, hat die Arbeitsgruppe Müller-Klieser in den letzten Jahren entwickelt. Laktat wird dabei in schockgefrorenen Gewebeproben quantitativ über Biolumineszenzreaktionen nachgewiesen.

Zum anderen besteht ein ebenso enger Zusammenhang zwischen der vermehrten Bildung von Laktat und der Strahlen- und Immunresistenz von Tumoren: So beruht die Wirksamkeit einer herkömmlichen Strahlentherapie im Wesentlichen auf der Erzeugung reaktiver Sauerstoffspezies, so genannter ROS. Diese erzeugen irreparable Schäden in der Erbsubstanz DNA und führen so zur Abtötung der Tumorzellen. Bestimmte Glykolyseprodukte, wie Pyruvat oder Laktat in hoher Konzentration, weisen antioxidative Eigenschaften auf und könnten somit die therapeutisch erwünschten ROS neutralisieren – und so die Wirksamkeit der Strahlentherapie reduzieren. „Neben einem grundlegenden Erkenntnisgewinn sind von solchen Forschungsarbeiten somit auch neue therapeutische Ansätze zu erwarten: Weiterführende Arbeiten müssen nun zeigen, inwieweit eine gezielte Manipulation des Glucosestoffwechsels bösartiger Tumoren die Effektivität der Strahlentherapie verbessern kann“, resümiert Prof. Müller-Klieser. „Ebenso wäre ein nächster entscheidender Schritt, biologisch relevante Laktatmessungen vermehrt in klinische Studie einzubetten.“

Kontakt
Univ.-Prof. Dr. Wolfgang Müller-Klieser, Institut für Physiologie und Pathophysiologie,
Universitätsmedizin Mainz,
Telefon 0 6131 39‐25761, Fax 06131 39‐25560, E‐Mail: mue-kli@uni-mainz.de
Pressekontakt
Dr. Renée Dillinger-Reiter, Stabsstelle Kommunikation und Presse Universitätsmedizin Mainz,

Telefon 06131 17-7424, Fax 06131 17-3496, E-Mail: pr@unimedizin-mainz.de

Über die Universitätsmedizin der Johannes Gutenberg-Universität Mainz
Die Universitätsmedizin der Johannes Gutenberg-Universität Mainz ist die einzige Einrichtung dieser Art in Rheinland-Pfalz. Mehr als 60 Kliniken, Institute und Abteilungen gehören zur Universitätsmedizin Mainz. Mit der Krankenversorgung untrennbar verbunden sind Forschung und Lehre. Rund 3.500 Studierende der Medizin und Zahnmedizin werden in Mainz kontinuierlich ausgebildet.

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