Die Aufmerksamkeit des Autofahrers – wie das Gehirn mit relevanten und irrelevanten Reizen umgeht

Straßenverkehrsteilnehmer müssen Aufmerksamkeitsvirtuosen sein: zwischen Autos, Personen und Schilderwald müssen sie blitzschnell relevante Signale wie andere Verkehrsteilnehmer von irrelevanten wie Werbebotschaften unterscheiden und richtig reagieren. Obwohl man beim Autofahren den Blick geradeaus auf die Straße richtet, ist es meistens problemlos möglich, ein sich von einer Seitenstraße näherndes Fahrzeug wahrzunehmen und zu beachten.

Dabei erscheinen die verschiedenen Eigenschaften des Fahrzeugs wie Farbe, Form und Geschwindigkeit schnell und effektiv als Einheit. Doch wie geschieht diese nachträgliche Zusammenfügung einzeln verarbeiteter Facetten eines Objektes im Kopf, und wie unterscheidet sich die Verarbeitung von wichtigen und unwichtigen Eigenschaften? Bisher waren die Hirnprozesse, die eine so rapide und gewichtete Verarbeitung von Merkmalen ermöglichen, nicht bekannt.

Einer Arbeitsgruppe aus Wissenschaftlern der Klinik für Neurologie und des Leibniz-Institutes für Neurobiologie in Magdeburg ist es nun unter der Leitung von Prof. Dr. Mircea Ariel Schoenfeld gelungen, mittels hochauflösender Magnetenzephalographie den Zeitverlauf der Aktivität in bewegungs- und farbselektiven Hirnregionen direkt zu charakterisieren und damit eine Antwort zu geben.

Sie fanden heraus, dass bei einem Objekt (z. B. einem roten Auto) die Verarbeitung des relevanten Merkmals (z. B. der Bewegungsrichtung) wenige zehntel Millisekunden vor der Verarbeitung von irrelevanten Objektmerkmalen (z.B. der nicht unmittelbar relevanten Farbe des Autos) verstärkt wird.

Die zum einheitlich wahrgenommenen Objekt gehörenden Merkmale wurden sehr schnell bevorzugt verarbeitet, wobei die Reihenfolge der Verarbeitung der Objektmerkmale (Farbe und Bewegung) flexibel der relativen Wichtigkeit des Merkmals entsprach. Zum ersten Mal konnte so gezeigt werden, dass die integrative Bindung von Merkmalen wie Bewegung und Farbe zu einem einheitlichen Objekt als schnelle, flexible Aufeinanderfolge verstärkter Aktivität in entsprechenden bewegungs- und farbsensitiven Hirnarealen realisiert wird. Die Ergebnisse der Arbeit wurden im renommierten Fachjournal Nature Neuroscience publiziert.

Das Leibniz-Institut für Neurobiologie (LIN) in Magdeburg ist ein Zentrum für Lern- und Gedächtnisforschung.

Link zum Fachartikel “Object-based attention involves the sequential activation of feature-specific cortical modules” von Mircea A Schoenfeld, Jens-Max Hopf, Christian Merkel, Hans-Jochen Heinze & Steven A Hillyard; Nature Neuroscience online am 23 February 2014: http://www.nature.com/neuro/journal/vaop/ncurrent/pdf/nn.3656.pdf

http://www.nature.com/neuro/journal/vaop/ncurrent/pdf/nn.3656.pdf
http://www.lin-magdeburg.de

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Constanze Seidenbecher idw - Informationsdienst Wissenschaft

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