Vom Molekül zum Objekt

Schon immer versucht die Organische Chemie, die Biologie nachzuahmen. Während sich bereits viele Moleküle herstellen lassen, die Biomoleküle in ihrer Struktur und Funktion nachahmen, ist es noch immer eine Herausforderung, Größe und Form großer Biomoleküle zu erreichen.

Ein internationales Team um A. Dieter Schlüter von der ETH Zürich stellt nun ein verästeltes Polymer vor, das in seiner Größe und zylindrischen Form dem Tabakmosaikvirus ähnelt. Wie die Forscher in der Zeitschrift Angewandte Chemie berichten, handelt es sich dabei um das bisher größte synthetische Makromolekül mit definierter Form und definiertem atomaren Aufbau.

Die größten künstlichen Strukturen mit einer definierten Anordnung ihrer Atome waren bisher Polystyrol-Polymere mit einer Molekülmasse von etwa 40 Mio Dalton. Das entspricht aber lediglich einem kleinen Bruchteil der Masse großer DNA-Moleküle. Ein großes künstliches Molekül herzustellen, das überdies noch mit einer definierten Form aufwarten kann, ist um ein Vielfaches schwieriger. Für die Biologie ist es dagegen Routine. Selbst der einfachste Organismus verfügt über gut definierte Formen, beispielweise das stäbchenförmige Tabakmosaikvirus. Für Chemiker ist es ein Vorbild: ein massives molekulares Ensemble mit einer perfekten Kontrolle der chemischen Struktur, Funktion, Größe und molekularen Form.

Schlüter und seine Kollegen präsentieren nun ein verzweigtes Polymer, das sich in seiner Größe und Form dem Tabakmosaikvirus annähert. Die aufwändige Synthese, die unter anderem 170.000 bindungsbildende Reaktionen an einem einzigen Molekül verlangt, führte zu einem strukturell definierten, linearen Makromolekül mit einem Durchmesser von etwa 10 nm und einer Molekülmasse von 200 Mio Dalton. Damit erreicht es eine vergleichbare Molmasse, einen Querschnitt und die zylindrische Form wie besagter Tabakmosaikvirus.

Das neue Riesenmolekül ist ein so genanntes dendronisiertes Polymer: Es besteht aus einem linearen Rückgrat mit hochverzweigten, regelrecht verästelten Seitenketten. „Dies ist das bisher größte bekannte synthetische Makromolekül mit definierter chemischer Struktur und definierter Form,“ so Schlüter. „Unser Ansatz ist ein erster Schritt zur Herstellung molekularer Objekte.“ Als Objekt wird ein Gebilde angesehen, wenn es seine Form, unabhängig von seiner jeweiligen Umgebung, beibehält und wenn man sein Inneres von der äußeren Umgebung unterscheiden kann und es dazwischen eine eindeutige Grenzfläche gibt. Es gibt zwar bereits viele künstliche Nanoobjekte, aber diese bestehen nicht aus einem einzigen Molekül, sondern aus Aggregaten mehrer bis vieler einzelner Moleküle.

Angewandte Chemie: Presseinfo 48/2010

Autor: A. Dieter Schlüter, ETH Zürich (Switzerland), http://www.polychem.mat.ethz.ch/people/head/dieters

Angewandte Chemie, Permalink to the article: http://dx.doi.org/10.1002/ange.201005164

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Dr. Renate Hoer GDCh

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