Speisekarte des Urpferdchens erforscht – Artikel in der Hercynia

Es hat vor rund 50 Millionen Jahren gelebt. Kaum jemand hat eine genaue Vorstellung davon, wie das Leben auf der Erde damals tatsächlich aussah. Was aber auf dem Speiseplan des Urpferdchens stand, können die Wissenschaftler heute genau sagen. Es fraß zum Beispiel vorwiegend Laubblätter, aber auch Früchte und Blüten. Soeben ist dazu ein Artikel in der Zeitschrift Hercynia, Bd. 42/2009 (Seiten 167-175) erschienen.

Dr. Meinolf Hellmund, Kustos des Geiseltalmuseums, und PD Dr. Volker Wilde, Senckenberg Forschungsinstitut und Naturmuseum, Sektion Paläobotanik in Frankfurt am Main, verfassten anhand ihrer aktuellen Forschungen den Artikel.

Ein unscheinbares, bislang nicht inventarisiertes Glasröhrchen mit Korkverschluss befindet sich schon seit 1933 in der Sammlung des halleschen Museums. Es enthält ein dreieckig umrissenes Braunkohlenstück. „Ich hielt es vor zwei Jahren plötzlich in der Hand und war wie elektrisiert“, sagt Dr. Meinolf Hellmund. „Auf dem beiliegenden Etikett steht mit Bleistift vermerkt: Mageninhalt Paläohippide CI NO. Dies weckte meine Neugier.“ Anhand von Vergleichen ließ sich mit großer Sicherheit die Handschrift von Erhard Voigt (1905-2004) identifizieren, der 1933 bei den Ausgrabungen des Urpferdchens im Tagebau Cecilie ganz wesentlich beteiligt war. Trotz der rasch erlangten Berühmtheit des Urpferdchens erfolgte damals noch keine detaillierte systematische Bearbeitung aller gesicherten Bestandteile des Fundes. Es gab auch noch nicht die Untersuchungsmöglichkeiten wie heute, erklärt Hellmund. So geriet das Glasröhrchen offenbar in Vergessenheit.

Nun liegen neueste Erkenntnisse vor. Mit Hilfe eines Durchlichtmikroskops (LEITZ Metallux 3) und eines Rasterelektronenmikroskops gab das kleine Braunkohlestück den Speiseplan eines längst ausgestorbenen Tieres preis und sagt auch noch über sein Verhalten beim Nahrungserwerb etwas aus. Der „Mageninhalt“ bzw. Inhalt des Verdauungstrakts des Urpferdchens (Propalaeotherium isselanum) gibt Auskunft über das Nahrungsspektrum und die Ernährungsbiologie dieses fossilen Lebewesens. „Die Untersuchung ergab deine dichte Packung von kleinen und kleinsten Fragmenten unterschiedlicher pflanzlicher Gewebe, darunter Früchte, Blüten und Samen“, so Hellmund. Eine größere Zahl von Pollenkörnern ließ sich erkennen, überwiegend ein bestimmter Typ, nämlich Tedradenpollen höchstwahrscheinlich von Heidekrautgewächsen (Fam. Ericaceae). Darunter „gemischt“ waren kleine Quarzkörner, vermutlich nicht absichtlich aufgenommener Sand, sogenannter Beifang, der beim Fressen von am Boden liegenden Früchten oder von Laub dabei war. Das Probenmaterial besteht aus intensiv zerkautem, durchmengten und teilweise anverdautem Inhalt des Verdauungstrakts, typisch für einen Pflanzenfresser. Die Befunde bestätigen somit, dass sich die im Mitteleozän lebenden Pferdeartigen aus dem Geiseltal ausschließlich vegetarisch ernährten. Die Ergebnisse deuten auch darauf hin, dass der Nahrungserwerb dieser Tiere opportunistisch und dem Zufall überlassen war.

Die Untersuchungen zeigen einmal mehr die Bedeutung der wissenschaftlichen Sammlungen des Geiseltalmuseums für die Forschung, zumal die Wissenschaftler früherer Jahrzehnte bei ihrer Arbeit im Tagebau mit Umsicht und Weitblick ihre Funde für spätere Gutachten archiviert haben.

Ansprechpartner:

Dr. Meinolf Hellmund
Institut für Geowissenschaften der MLU, Geiseltalmuseum
Telefon: 0345 55 26073
E-Mail: meinolf.hellmund@geo.uni-halle.de
Priv.-Doz. Dr. Volker Wilde
Senckenberg Forschungsinstitut und Naturmuseum, Sektion Paläobotanik, Frankfurt am Main
Telefon: 069 97075-1160
E-Mail: vwilde@senckenberg.de

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Carsten Heckmann idw

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