Bioengineering trifft auf Hepatitis B

Angriff von bisepzifischen Antikörpern (in Beige) auf Antigen-positive Leberzellen (grau mit blauem Kern) in vivo bei Mäusen.
Helmholtz Zentrum München / Oliver Quitt

Forschende entwickeln vielversprechende Wirkstoffkandidaten.

Eine Forschungsgruppe um die Virologin Ulrike Protzer entwickelte Antikörper als neuartige Wirkstoffkandidaten für die Behandlung einer chronischen Hepatitis B und Leberzellkarzinomen. In Studien an menschlichen Zellkulturen und einem Mausmodell für das Leberzellkarzinom konnten die Forschenden Hepatitis-B-Virus-positive Zellen abtöten und das Tumorwachstum verringern. Gemeinsam mit Partnern aus der Industrie wird die Gruppe diesen Ansatz für die klinische Anwendung weiterentwickeln und klinische Studien forcieren.

Menschen, die chronisch mit dem Hepatitis-B Virus-infiziert sind, leiden daran, dass sie keine ausreichend starke Immunreaktion entwickeln, die das Virus eliminiert. Weltweit sind rund 260 Millionen Menschen chronisch infiziert, das sind mehr als drei Prozent der Weltbevölkerung. Infolgedessen sterben jedes Jahr rund 880.000 Infizierte an einem Leberversagen oder einem Leberzellkarzinom. Die bisher zur Verfügung stehenden Therapien hemmen zwar die Vermehrung des Virus, heilen die chronische Infektion aber selten aus.

Dem Immunsystem unter die Arme greifen

Forschende des Helmholtz Zentrums München und der Technischen Universität München (TUM) suchen daher nach Möglichkeiten, um chronische Infektionen mit dem Hepatitis-B-Virus über eine Stimulation der körpereigenen Immunantwort zu heilen. Im Mittelpunkt ihrer jüngsten Studie stand eines der neuesten Werkzeuge aus der Immuntherapie: Bispezifische Antikörper, die mit T-Zellen interagieren und sie aktivieren. T-Zellen sind Blutzellen, die eine wichtige Rolle in unserem adaptiven Immunsystem spielen. Mithilfe der Antikörper können T-Zellen infizierte Zellen erkennen und abtöten. „Für unsere Studie haben wir dieses neue Werkzeug genutzt und an unsere Bedürfnisse angepasst“, sagt Oliver Quitt. „Ziel der von uns entwickelten Antikörper ist es, bei Personen mit einer chronischen Hepatitis-B-Infektion eine antivirale Immunität auszulösen.“

Neuer therapeutischer Wirkstoffkandidat

Erste Studien an Mäusen zeigten bereits vielversprechende Ergebnisse. „Unsere Antikörper konnten erfolgreich Immunzellen an die Leberzellen anlocken, die mit dem Hepatitis-B-Virus infiziert sind. Dadurch werden die T-Zellen stimuliert, töten die Tumorzellen ab und verringern das Wachstum der Hepatitis-B-assoziierten Tumore“, erklärt Shanshan Luo.

Studienleiterin Ulrike Protzer sieht in diesen Ergebnissen großes Potenzial: „Unsere Studie zeigt, dass die Verabreichung von T-Zell-aktivierenden Antikörpern ein vielversprechender Ansatz für die Behandlung von chronischer Hepatitis B und Leberzellkarzinomen ist. Um diesen Ansatz voranzutreiben, haben wir kürzlich ein Forschungsabkommen mit dem Biotechnologieunternehmen SCG Cell Therapy abgeschlossen. Es ist unser Ziel, diese neuartige Technologie weiterzuentwickeln und ihren klinischen Einsatz zu ermöglichen.“

Zu den Personen
Ulrike Protzer ist Professorin für Virologie und leitet das Institut für Virologie, das zum Helmholtz Zentrum München und der Technischen Universität München gehört. Oliver Quitt und Shanshan Luo führten diese Studie als Teil ihres Teams als Doktorand bzw. Postdoktorandin durch. Ulrike Protzer ist Mitglied des Deutschen Zentrums für Infektionsforschung (DZIF) und Sprecherin dessen „Thematic Translational Unit“ Hepatitis.

Helmholtz Zentrum München
Das Helmholtz Zentrum München verfolgt als Forschungszentrum die Mission, personalisierte medizinische Lösungen zur Prävention und Therapie umweltbedingter Krankheiten für eine gesündere Gesellschaft in einer sich schnell verändernden Welt zu entwickeln. Es erforscht das Entstehen von Volkskrankheiten im Kontext von Umweltfaktoren, Lebensstil und individueller genetischer Disposition. Besonderen Fokus legt das Zentrum auf die Erforschung des Diabetes mellitus, Allergien und chronischer Lungenerkrankungen. Der Hauptsitz des Zentrums liegt in Neuherberg im Norden Münchens. Das Helmholtz Zentrum München beschäftigt rund 2.500 Mitarbeitende und ist Mitglied der Helmholtz-Gemeinschaft, der größten Wissenschaftsorganisation Deutschlands mit mehr als 43.000 Mitarbeitenden in 18 Forschungszentren.

Wissenschaftliche Ansprechpartner:

Prof. Ulrike Protzer
Helmholtz Zentrum München
E-Mail: presse@helmholtz-muenchen.de

Originalpublikation:

Quitt, Luo et al., 2021: T cell engager antibodies enable T cells to control HBV infection and to target HBsAg-positive hepatoma in mice. Journal of Hepatology, DOI: 10.1016/j.jhep.2021.06.022
https://www.journal-of-hepatology.eu/article/S0168-8278(21)00443-8/fulltext

http://www.helmholtz-muenchen.de

Media Contact

Verena Schulz Kommunikation
Helmholtz Zentrum München - Deutsches Forschungszentrum für Gesundheit und Umwelt

Alle Nachrichten aus der Kategorie: Biowissenschaften Chemie

Der innovations-report bietet im Bereich der "Life Sciences" Berichte und Artikel über Anwendungen und wissenschaftliche Erkenntnisse der modernen Biologie, der Chemie und der Humanmedizin.

Unter anderem finden Sie Wissenswertes aus den Teilbereichen: Bakteriologie, Biochemie, Bionik, Bioinformatik, Biophysik, Biotechnologie, Genetik, Geobotanik, Humanbiologie, Meeresbiologie, Mikrobiologie, Molekularbiologie, Zellbiologie, Zoologie, Bioanorganische Chemie, Mikrochemie und Umweltchemie.

Zurück zur Startseite

Kommentare (0)

Schreiben Sie einen Kommentar

Neueste Beiträge

Diamantstaub leuchtet hell in Magnetresonanztomographie

Mögliche Alternative zum weit verbreiteten Kontrastmittel Gadolinium. Eine unerwartete Entdeckung machte eine Wissenschaftlerin des Max-Planck-Instituts für Intelligente Systeme in Stuttgart: Nanometerkleine Diamantpartikel, die eigentlich für einen ganz anderen Zweck bestimmt…

Neue Spule für 7-Tesla MRT | Kopf und Hals gleichzeitig darstellen

Die Magnetresonanztomographie (MRT) ermöglicht detaillierte Einblicke in den Körper. Vor allem die Ultrahochfeld-Bildgebung mit Magnetfeldstärken von 7 Tesla und höher macht feinste anatomische Strukturen und funktionelle Prozesse sichtbar. Doch alleine…

Hybrid-Energiespeichersystem für moderne Energienetze

Projekt HyFlow: Leistungsfähiges, nachhaltiges und kostengünstiges Hybrid-Energiespeichersystem für moderne Energienetze. In drei Jahren Forschungsarbeit hat das Konsortium des EU-Projekts HyFlow ein extrem leistungsfähiges, nachhaltiges und kostengünstiges Hybrid-Energiespeichersystem entwickelt, das einen…

Partner & Förderer