Turbulente Fäden

Vom Faden zum Vlies: Die Simulation zeigt, wie eine chaotische Vliesstruktur entsteht. © Fraunhofer ITWM

Vliesstoffe gehören zu den Dingen, die jeder braucht, aber kaum jemand wahrnimmt. Vliese halten Windeln zusammen, dämmen Mauerwerk und werden zum Auspolstern von Autotürverkleidungen genutzt. Je nach Verwendungszweck ändern sich die Ansprüche: Als Dämmstoff muss das Vlies überall gleich dicht sein, bei Windeln darf es nicht reißen. Die Hersteller wollen diese Ansprüche mit möglichst wenig Material erfüllen. Tatsächlich sind Windelvliese heute deutlich dünner als noch vor zehn Jahren und dennoch strapazierfähiger.

Die Optimierung der Vliesproduktion hat es jedoch in sich: Vliesstoffe entstehen aus hauchzarten Kunststofffäden, die von Tausenden kleiner Düsen hergestellt werden. Durch einen Luftstrom werden diese „Filamente“ in die Länge gezogen und schließlich – Filament für Filament – auf einer Art Förderband abgelegt. Ganz ohne Weben und Strickerei entsteht dabei die zarte Vliesschicht. Das Problem: Die flatternden Fäden im turbulenten Luftstrom lassen sich schwer steuern. Sie bewegen sich zufällig, verteilen sich stochastisch nach den Gesetzen der Wahrscheinlichkeitsrechnung auf dem Förderband.

Die Gruppe um Dr. Dietmar Hietel vom Fraunhofer-Institut für Techno- und Wirtschaftsmathematik ITWM in Kaiserslautern untersucht und berechnet die turbulente Entstehung der Vliese und simuliert sie im Computer. Dafür entwickelte das Fraunhofer-Team mathematische Modelle und das Simulationstool FIDYST. Mit ihm lassen sich Fadenbewegungen und Dichteverteilungen simulieren – allerdings nur in bunten Farben. „Mit diesen farbigen Bildern können Vliesexperten nicht viel anfangen. Für sie ist eine reale Darstellung der weichen Vliesstruktur wichtig“, sagt André Stork vom Fraunhofer-Institut für Graphische Datenverarbeitung IGD in Darmstadt. Er hat jetzt die Simulationssoftware IFX entwickelt, die die Dichtebilder weiter verarbeiten kann und am Ende die chaotische Vliesstruktur täuschend real abbildet.

Das ehrgeizige Ziel, die Simulation so einzustellen, dass ein ideales Vlies entsteht, war damit erreicht. Und tatsächlich lassen sich mit Hilfe des Simulationsprogramms auch reale Maschinen steuern. Zusammen mit dem Maschinenhersteller Neumag aus Neumünster wollen die Forscher künftig Vliesanlagen optimieren.

Media Contact

Marion Horn Fraunhofer-Gesellschaft

Alle Nachrichten aus der Kategorie: Verfahrenstechnologie

Dieses Fachgebiet umfasst wissenschaftliche Verfahren zur Änderung von Stoffeigenschaften (Zerkleinern, Kühlen, etc.), Stoffzusammensetzungen (Filtration, Destillation, etc.) und Stoffarten (Oxidation, Hydrierung, etc.).

Unter anderem finden Sie Wissenswertes aus den Teilbereichen: Trenntechnologie, Lasertechnologie, Messtechnik, Robotertechnik, Prüftechnik, Beschichtungsverfahren und Analyseverfahren.

Zurück zur Startseite

Kommentare (0)

Schreiben Sie einen Kommentar

Neueste Beiträge

Diamantstaub leuchtet hell in Magnetresonanztomographie

Mögliche Alternative zum weit verbreiteten Kontrastmittel Gadolinium. Eine unerwartete Entdeckung machte eine Wissenschaftlerin des Max-Planck-Instituts für Intelligente Systeme in Stuttgart: Nanometerkleine Diamantpartikel, die eigentlich für einen ganz anderen Zweck bestimmt…

Neue Spule für 7-Tesla MRT | Kopf und Hals gleichzeitig darstellen

Die Magnetresonanztomographie (MRT) ermöglicht detaillierte Einblicke in den Körper. Vor allem die Ultrahochfeld-Bildgebung mit Magnetfeldstärken von 7 Tesla und höher macht feinste anatomische Strukturen und funktionelle Prozesse sichtbar. Doch alleine…

Hybrid-Energiespeichersystem für moderne Energienetze

Projekt HyFlow: Leistungsfähiges, nachhaltiges und kostengünstiges Hybrid-Energiespeichersystem für moderne Energienetze. In drei Jahren Forschungsarbeit hat das Konsortium des EU-Projekts HyFlow ein extrem leistungsfähiges, nachhaltiges und kostengünstiges Hybrid-Energiespeichersystem entwickelt, das einen…

Partner & Förderer