Nachbarschaft beeinflusst Bildungserfolg

Die Sozialstruktur der Nachbarschaft hat Einfluss darauf, wie gut Berliner Grundschüler lesen und rechnen können. Das gilt unabhängig vom sozialen Hintergrund der Eltern und von der sozialen Zusammensetzung der Schüler. Anders als vermutet, schneiden aber Schüler in Wohnvierteln mit einer hohen Arbeitslosen- und Sozialhilfequote nicht schlechter ab als Schüler, die in sozial durchschnittlichen Nachbarschaften leben. Dagegen profitieren Kinder von sozial privilegierten Nachbarschaften. Zu diesem Ergebnis kommt eine neue Studie des Wissenschaftszentrums Berlin für Sozialforschung (WZB.)

Damit konnte erstmals für Deutschland nachgewiesen werden, dass die Nachbarschaft den Bildungserfolg von Schülern unabhängig vom Elternhaus beeinflusst. Für die Studie hat der WZB-Bildungsforscher Marcel Helbig die Lese- und Mathematikkompetenzen von rund 3.200 Berliner Grundschülern der Klassen vier bis sechs untersucht und diese zu der Arbeitslosen- und Sozialhilfequote des Wohnviertels in Beziehung gesetzt.

Dass Schüler in sozial besser gestellten Wohnvierteln Vorteile im Rechnen und Lesen haben, führt Helbig auf zwei mögliche Erklärungen zurück: Die Kinder fänden unter den Erwachsenen mehr positive Rollenvorbilder, die leistungsförderliche Verhaltensweisen vorleben. Außerdem werde in einer solchen Nachbarschaft eine stärkere soziale Kontrolle ausgeübt. Amerikanische Studien zeigen beispielsweise, dass sich die Nachbarn in besser gestellten Wohnvierteln größtenteils kennen, mehr Zeit miteinander verbringen und häufiger wechselseitig auf ihre Kinder aufpassen. Zudem können sie sich hier eher darauf verlassen, dass ihre Nachbarn etwas sagen oder unternehmen, wenn Kinder die Schule schwänzen, in der Nachbarschaft „herumlungern“ oder respektlos gegenüber Erwachsenen sind.

Die Studie zeigt, dass sich soziale Bildungsungleichheit durch die gefundenen Effekte verstärkt. Denn Schüler, deren Eltern sozial privilegiert sind, haben bereits bessere Bildungschancen. Meist wohnen diese Familien auch in guten Wohnvierteln, so dass die Kinder in ihrer Kompetenzentwicklung zusätzlich noch von den Nachbarn profitieren.

Zwei Fragen lässt die Studie jedoch offen: Gelten die Befunde für ganz Deutschland oder nur für Städte oder Großstädte? Zweitens wurden hier die Effekte für zehn- bis zwölfjährige Kinder nachgewiesen. Es ist aber möglich, dass sich die soziale Struktur der Nachbarschaft im Verlauf der Jugend noch stärker auf die Bildung der Schüler auswirkt als zu dem untersuchten früheren Zeitpunkt.

Die Studie „Neighborhood does matter! Soziostrukturelle Nachbarschaftscharakteristika und Bildungserfolg“ ist in der aktuellen Ausgabe der Kölner Zeitschrift für Soziologie und Sozialpsychologie erschienen.

Media Contact

Dr. Paul Stoop idw

Weitere Informationen:

http://www.wzb.eu

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