Musik macht hellhörig für Emotionen

Wer ein Musikinstrument spielt, kann im Gespräch mit anderen zwischen den Zeilen versteckte Gefühle besser erkennen. Das besagt eine Studie von Neurobiologen der Northwestern University, die im European Journal of Neuroscience veröffentlicht wurde.

Musiker reagierten im Experiment auf feine akustische Unterschiede in einem emotionellen Tonbeispiel weitaus stärker als Nicht-Musiker. Diese Erkenntnisse können der Behandlung von Kindern mit Autismus sowie mit Lese- und Sprachschwierigkeiten zugute kommen. Musiktherapie könnte ihnen helfen, Emotionen anderer Menschen besser zu erkennen.

Diese Erkenntnis lieferte ein Experiment mit 30 Versuchspersonen, die Hälfte davon Musiker. Während sie einen Naturfilm mit Untertiteln ansahen, wurde in regelmäßigen Abständen über Köpfhörer das Weinen eines Babys zugespielt. „Wir wählten dieses Tonbeispiel, da es besonders hohe Emotionalität hervorrief und sowohl komplexe als auch einfache Abschnitte besaß“, so Studienleiterin Nina Kraus im pressetext-Interview. Elektroden maßen die elektrische Reaktion der Probanden im Hirnstamm, der den Hörnerv mit dem Großhirn verbindet. Bei den Musikern war die Reaktion besonders stark, wenn das Weingeräusch komplexer wurde und sich rasch änderte, während sie auf gleichbleibende Abschnitte weit weniger reagierten als die nicht-musischen Versuchspersonen. „Es scheint, dass die Musiker ihre Gehirnressourcen für komplexere Teile aufheben, auf die wiederum die Nicht-Musiker weniger reagierten“, so Kraus. Das spielen eines Musikinstruments schärfe nicht nur das Gehör für Musik, sondern auch jenes für andere Geräusche.

Als „Musiker“ definierten die Forscher Menschen, die ein Instrument spielen. „In weiteren Forschungen wollen wir beobachten, ob sich verschiedene Instrumente oder Musikstile unterschiedlich auf die Emotionswahrnehmung auswirken oder ob vielmehr das eifrige Musikhören alleine den Ausschlag gibt.“ Zwar sei es auch denkbar, dass emotionsbetonte Personen öfters Musikinstrumente in die Hand nehmen, bemerkt Kraus. „Doch wir konnten feststellen, dass der Grad der Treffsicherheit der neuronalen Wahrnehmung mit dem Ausmaß der Musikerfahrung zunahm. Je länger die Teilnehmer ihr Instrument spielten und je früher sie damit begonnen hatten, desto größer war diese Fähigkeit.“ Das beweise die entscheidende Rolle der Erfahrung, so Kraus weiter.

Frühere Forschungen der Neurobiologen haben Rückstände der Geräuschverarbeitung bei manchen Kindern gezeigt, die an Autismus oder an Dyslexie leiden, worunter man ein Lese- und Verständnisproblem bei normalem Seh- und Hörvermögen versteht. Diese Rückstände, die es den Betroffenen erschweren, Emotionen zu erkennen, seien der gesteigerten Fähigkeit der Musiker genau entgegengesetzt, erklärt Kraus. „Spezielles Musiktraining, das die mangelhafte neurale akustische Wahrnehmung verbessert, könnte diese Engstelle erweitern.“ Dabei sei die Geräuschverarbeitung in den beiden Leiden unterschiedlich und erfordere genaue klinische Bestimmung. „Menschen mit Dyslexie verschlüsseln die Geräuschelemente ungenau, die man für die Unterscheidung von Konsonanten braucht. Autisten schaffen es hingegen nicht, die genaue Tonlage zu erkennen, in der viele Informationen über Gefühle stecken“, so die US-Forscherin abschließend gegenüber pressetext.

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Johannes Pernsteiner pressetext.austria

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