Bakteriengift hilft bei Diagnose und Therapie

Innovativer Ansatz beim Bauchspeicheldrüsenkrebs

Zu den wichtigsten Zielen bei der Diagnose von Krebserkrankungen zählt es, den Tumor möglichst früh und zuverlässig zu erkennen. Denn: Je früher ein Tumor entdeckt wird, umso besser sind die Heilungschancen. Die Deutsche Krebshilfe fördert jetzt ein Forschungsprojekt am Universitätsklinikum Ulm, bei dem Krebszellen mit Hilfe von Bakteriengift aufgespürt werden. Das Gift ist außerdem in der Lage, die bösartigen Zellen zu zerstören. Diese neue Diagnose- und Therapieform soll beim Bauchspeicheldrüsenkrebs eingesetzt werden.

Die Heilungschancen beim Bauchspeicheldrüsenkrebs sind meist schlecht, da der Tumor nur selten Frühsymptome zeigt und deswegen oft zu spät erkannt wird. Im Rahmen eines von der Deutschen Krebshilfe mit 283.000 Euro geförderten Forschungsprojekts entwickeln Wissenschaftler nun eine innovative Strategie zur Früherkennung und Behandlung dieser Krebsart. Die Arbeitsgruppe um Projektleiter Dr. Patrick Michl, Universitätsklinikum Ulm, hat ein Eiweißmolekül identifiziert, das auf der Oberfläche der Bauchspeicheldrüsenkrebszellen in großer Menge vorkommt: das so genannte „Claudin-4“. Dieses Protein ist mit dafür verantwortlich, dass die einzelnen Tumorzellen untereinander Kontakt halten können. „Interessanterweise konnten wir zeigen, dass ein bestimmter Giftstoff, der von einem Bakterium produziert wird, an Claudin-4 andockt und anschließend die Tumorzelle zerstört“, erklärt Michl. Das Bakterium gehört zu den Clostridien, die beim Menschen Magen-Darm-Grippe auslösen können.

Ein Ziel des geförderten Projekts ist es nun, diesen bakteriellen Giftstoff für die Krebs-Therapie nutzbar zu machen. Das Problem dabei: Das Gift – kurz CPE genannt – kann dem Patienten nicht direkt injiziert werden, da auch in gesunden Darmzellen Claudin-4 vorkommt. Somit würden auch die gesunden Darmzellen zerstört und es käme zu erheblichen Nebenwirkungen. Daher entwickeln die Forscher ein neues Verfahren, mit dem der Giftstoff mit Hilfe der Bakterien ganz gezielt in den Tumor gelangt, ohne gesundes Gewebe zu schädigen. Dazu nutzen sie eine weitere Eigenschaft der Clostridien: Diese Bakterien breiten sich bevorzugt in Zellregionen aus, in denen Sauerstoffmangel herrscht. Das ist besonders im Tumorgewebe der Fall.

Da aber das CPE-produzierende Clostridium für den Menschen schädlich ist, nehmen die Forscher eine andere, harmlose Clostriden-Art zu Hilfe, um das Zellgift zum Tumor zu transportieren. Diese unschädlichen Bakterien würden nach Verabreichung gezielt in das sauerstoffarme Tumorgewebe wandern. Allerdings produziert diese Bakterienart von Natur aus keinen CPE-Giftstoff. „Mittels genetischer Methoden wollen wir daher diese Bakterien dazu bringen, das Gift zu herzustellen und spezifisch im Tumor freizusetzen“, erläutert der Projektleiter das Vorhaben.

Der zweite Teil des Forschungsprojekts dient der Tumor-Diagnostik. Das Ziel ist es, Tumoren der Bauchspeicheldrüse mit Hilfe des CPE-Giftes früher als bisher möglich zu entdecken. Die Arbeitsgruppe von Dr. Michl arbeitet hierbei mit Dr. Bernd Neumaier, Abteilung für Nuklearmedizin, ebenfalls Universitätsklinikum Ulm, zusammen. Die Wissenschaftler nutzen zur Früherkennung die Vorliebe des CPE-Giftstoffs, an Claudin-4 zu binden: „Wenn nur ein kurzes Stück des giftigen CPE-Moleküls mit Tumorzellen in Kontakt kommt, dockt dieser Teil zwar an Claudin-4 an. Die Krebszellen werden aber nicht mehr zerstört“, erklärt Michl.

Um die bösartigen Zellen, an denen CPE bindet, anschließend im Körper sichtbar zu machen, koppelt das Forscherteam radioaktiv-leuchtende Marker an das ungiftige CPE-Fragment, bevor es injiziert wird. Diese Marker können dann mittels bildgebender Verfahren wie der Positronen-Emissions-Tomographie (PET) sichtbar gemacht werden. Da in dem umliegenden gesunden Gewebe deutlich weniger Claudin-4 als im Tumor vorkommt, leuchten die Krebszellen entsprechend stärker. „Mit diesem neuartigen Verfahren könnten auch andere Tumoren, die Claudin-4 in großem Maße aufweisen, bereits in einem früheren Stadium erkannt werden, als es bisher möglich ist“, erläutert Michl. Dazu zählen beispielweise Prostata-, Brust- und Eierstockkrebs.

Info-Kasten: Bauchspeicheldrüsenkrebs

Jährlich erkranken in Deutschland über 13.000 Menschen neu an Bauchspeicheldrüsenkrebs. Das Pankreaskarzinom, wie der Tumor in der medizinischen Fachsprache genannt wird, ist auch heute noch die Krebserkrankung mit der höchsten Sterberate. Die Operation ist bisher der einzig mögliche Heilungsweg. Bei den meisten Menschen ist jedoch zum Zeitpunkt der Diagnose die Krebserkrankung schon so weit fortgeschritten, dass Ärzte den Tumor nicht mehr operativ entfernen können. Die Deutsche Krebshilfe gibt einen blauen Ratgeber „Bauchspeicheldrüsenkrebs“ heraus, den Betroffen und Interessierte kostenlos anfordern können: Deutsche Krebshilfe, Postfach 1467, 53004 Bonn. Außerdem kann die Broschüre im Internet unter www.krebshilfe.de heruntergeladen werden.

Media Contact

Dr. med. Eva M. Kalbheim idw

Weitere Informationen:

http://www.krebshilfe.de

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