Gezuckerte weiße Blutkörperchen funktionieren einfach besser

Weiße Blutkörperchen, die Leukozyten, patrouillieren ständig in unserem Körper, um z.B. bei Entzündungen Krankheitserreger aufzustöbern. Die letzten Winkel und Ecken unserer Gewebe erreichen sie aber nur, indem sie in einem komplexen Prozess, der Leukozyten-Rekrutierung, aus den Blutgefäßen ins Gewebe auswandern. Mit Hilfe spezieller Haftmoleküle, sog. Adhäsionsmoleküle, gelingt es dabei den Leukozyten an der Gefäßwand zu verweilen und nicht von dem fließenden Blut permanent fortgerissen zu werden.

Bei ihrer Arbeit sind diese Adhäsionsmoleküle offenbar sehr auf Süßes angewiesen und funktionieren ohne einen Schwanz von Zuckermolekülen nur sehr schlecht, wie Dr. David Frommhold aus der Klinik für Neonatologie des Zentrums für Kinder- und Jugendmedizin am Universitätsklinikum Heidelberg und Privatdozent Dr. Andreas Ludwig, Universität Aachen, nun in der Fachzeitschrift „Journal of Experimental Medicine“ berichten.

Die auf die Leukozytenrekrutierung spezialisierte Arbeitsgruppe des Kinderarztes konnte mit Hilfe eines hochkarätigen internationalen Forscherteams unter der Leitung von Professor Dr. Markus Sperandio, der 2007 von der Universität Heidelberg ins Walter Brendel Zentrum für Experimentelle Medizin der Ludwig-Maximilians-Universität (LMU) München berufen wurde, erstmals im lebenden Gewebe nachweisen, dass die Ausstattung der Adhäsionsmoleküle mit Zuckerketten auch für die Leukozytenadhäsion in Gefäßen entzündlich veränderter Gewebe erforderlich ist.

Unlängst konnten die Forscher bereits bei Molekülen, die für das Rollen der Leukozyten entlang der Gefäßwand verantwortlich sind, eine entscheidende Bedeutung der Zuckermodifikation in lebenden Mäusen nachweisen. „Da offenbar auch während der Herstellung von Adhäsionsmolekülen unterschiedlich lange Zuckerketten an diese angehängt werden, ergab sich für uns die Frage, welche funktionelle Bedeutung sie für den Leukozyten im lebenden Organismus haben,“ so Frommhold.

Bei einer Entzündung setzt das Immunsystem Botenstoffe frei, sog. Chemokine, die die zirkulierenden weißen Blutkörperchen anlocken und fest an die Gefäßwand im Bereich entzündeten Gewebes binden. Bei einer auf Bakterienabwehr besonders spezialisierten Gruppe von Leukozyten, den neutrophilen Granulozyten, trägt das Chemokin Interleukin-8 maßgeblich zur deren fester Bindung an die entzündlich veränderte Gefäßwand bei. Ist der verantwortliche Chemokinrezeptor, nämlich CXCR2, auf der Oberfläche der neutrophilen Granulozyten mit spezifischen Zuckerketten ausgerüstet, können die Abwehrzellen ihre Patrouille durch entzündetes Gewebe ungehindert antreten. „Fehlt den Chemokinrezeptoren der Leukozyten die Modifikation mit Zuckermolekülen, ist deren Auswanderung und damit letztlich die Abwehr von Bakterien empfindlich beeinträchtigt“ erklärt Frommhold. Fazit: Gezuckerte weiße Blutkörperchen funktionieren einfach besser.

Die Forscher sind überzeugt, dass ihre Arbeit weitere Untersuchungen zur Funktion von Zuckermolekülen im Immunsystem anregt und in Zukunft neue Aspekte für die Behandlung akuter und chronischer Entzündungsprozesse eröffnet.

Kontakt:
Dr. David Frommhold
Klinik für Neonatologie
Zentrum für Kinder- und Jugendmedizin
Universitätsklinikum Heidelberg
Tel.: 06221 / 56 39356
E-Mail: david.frommhold@med.uni-heidelberg.de
Literatur:
David Frommhold, Andreas Ludwig, M. Gabriele Bixel, Alexander Zarbock, Inna Babushkina, Melitta Weissinger, Sandra Cauwenberghs, Lesley G. Ellies, Jamey D. Marth, Annette G. Beck-Sickinger, Michael Sixt, Bärbel Lange-Sperandio, Alma Zernecke, Ernst Brandt, Christian Weber, Dietmar Vestweber, Klaus Ley, and Markus Sperandio: „Sialyltransferase ST3Gal-IV controls CXCR2-mediated firm leukocyte arrest during inflammation“, Journal of Experimental Medicine, 9. Juni 2008, B. 205, Nr. 6, S. 1435-1446

Sperandio M, Frommhold D, Babushkina I, Ellies LG, Olson TS, Smith ML, Fritzsching B, Pauly E, Smith DF, Nobiling R, Linderkamp O, Marth JD, Ley K: ST3Gal-IV is essential for L-selectin ligand function in inflammation. Eur J Immunol 36:3207-3215, 2006

(Der Originalartikel kann bei der Pressestelle des Universitätsklinikums Heidelberg unter contact@med.uni-heidelberg.de angefordert werden)

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Dr. Annette Tuffs
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