Rheuma bei Kindern: Falsche Enzymaktivität in den B-Zellen?

Die Hand eines sechsjährigen Mädchens, das an Rheuma leidet. Die Gelenke sind entzündet, geschwollen und schmerzen bei Bewegung. <br>Foto: Girschick

Rheumatische Erkrankungen werden durch Fehlfunktionen des Immunsystems ausgelöst: Dabei kommt es fälschlicherweise zur Produktion von Abwehrstoffen (Immunglobuline) gegen Organe des eigenen Körpers. Ob bei rheumakranken Kindern eine spezielle Störung in der Entwicklung der Immunzellen vorliegt, untersuchen Wissenschaftler von der Uni Würzburg.

Immunglobuline sind Eiweißstoffe, die von den B-Zellen des Immunsystems gebildet werden. Diese Zellen entwickeln sich im Knochenmark: Dabei werden aus den vielen verschiedenen Immunglobulin-Genen zwei bis drei ausgewählt und mit so genannten Rekombinationsenzymen zusammengebaut.

Dieser Prozess läuft rein zufällig ab, und er bringt B-Zellen hervor, die Abwehrkörper gegen sehr viele verschiedene Fremdstoffe produzieren können. Es entstehen aber auch B-Zellen, deren Immunglobuline sich gegen den eigenen Körper richten. Doch eine strikte Qualitätskontrolle verhindert, dass diese „schlechten“ Zellen das Knochenmark verlassen. Die „guten“ B-Zellen dagegen bleiben in der Regel gut, denn sobald sie im Blut patrouillieren, können sie ihre Immunglobulin-Gene normalerweise nicht mehr verändern.

So weit der Idealfall. Doch die Arbeitsgruppe um Dr. Hermann Girschick von der Kinderklinik der Universität Würzburg hat bei den B-Zellen auch schon ein ganz anderes Verhalten beobachtet. Die Wissenschaftler wollten herausfinden, warum bei Patienten mit Systemischem Lupus Erythematodes besonders häufig Immunglobuline zu finden sind, die den eigenen Körper angreifen. Bei dieser Krankheit kommt es durch entzündliche Vorgänge zu unterschiedlichsten Symptomen, darunter Arthritis und Veränderungen der Haut oder des Blutbildes.

Im Blut solcher Patienten fanden die Würzburger Mediziner eine große Anzahl von B-Zellen, die ihre Immunglobulingene verändern konnten. Dr. Girschick: „Interessanterweise waren diese B-Zellen allesamt erst kurz zuvor aus dem Knochenmark ins Blut ausgewandert. Normalerweise hätten sie die Produktion ihrer Rekombinationsenzyme beim Verlassen des Knochenmarks einstellen sollen.“

Die Folge dieser Abweichung: Verändert eine B-Zelle ihr Immunglobulin-Gen außerhalb des Knochenmarks oder lymphatischer Organe, dann kann sie nicht mehr der Qualitätskontrolle unterzogen werden. Dadurch überleben vermehrt solche B-Zellen, die gegen die eigenen Organe gerichtete Immunglobuline produzieren.

Zu diesem Ergebnis kamen die Würzburger Wissenschaftler mit einer selbst entwickelten und hoch sensiblen molekulargenetischen Methode, mit der sie die Produktion der Rekombinationsenzyme in einer einzelnen B-Zelle untersuchen können. Auf diese Weise wollen sie nun auch die Entstehung von Rheuma bei Kindern hinterfragen. Die Deutsche Forschungsgemeinschaft fördert das Projekt.

Weitere Informationen: Dr. Hermann Girschick, T (0931) 201-5846, Fax (0931) 201-2242, E-Mail: 
hermann.girschick@mail.uni-wuerzburg.de

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Robert Emmerich idw

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