Was Froschzungen klebrig macht

Die Mikroskopbilder der neuen Technik zeigen unterschiedliche chemische Zusammensetzungen auf der Oberfläche von Froschzungen. Foto/Copyright: Joe Baio

Frösche schnappen ihre Beute mithilfe von klebrigem Schleim auf ihren Zungen. Diese Haftwirkung hat der Schleim aber nicht dauerhaft. Bisher vermuteten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, dass er auf Druck reagiert und die Haftwirkung erst durch das Einziehen der Zunge einsetzt.

Diesen Ablauf konnte ein Forschungsteam der Universitäten Oregon (USA), Aarhus (Dänemark) und Kiel jetzt nachweisen: Sie entwickelten neue Techniken, um die chemischen Mechanismen zu untersuchen, die auf der Oberfläche von Froschzungen ablaufen.

Ihre Beobachtungen zeigen, dass der Schleim winzige Fasern ausbildet, sobald er Beutetiere berührt. Durch die Kontraktion der Zunge ordnet sich die chemische Proteinstruktur des Schleims neu an, wodurch er klebrig wird. Das Verständnis solcher physikalisch-chemischen Mechanismen könnte in die Entwicklung neuer Materialien einfließen, die sich biologische Wirkungsweisen zunutze machen.

Ihre Ergebnisse veröffentlichte das Forschungsteam in der aktuellen Ausgabe der Zeitschrift Biointerphases.

„In unserer Studie haben wir Abdrücke einer Froschzunge chemisch analysiert. Dafür haben wir die äußeren vier bis fünf Nanometer der Oberfläche näher untersucht, denn hier laufen die entscheidenden Prozesse ab“, sagt Co-Autor Dr. Joe E. Baio von der Oregon State University, dessen Gruppe an der Entwicklung der neuen Technik beteiligt war.

Die sogenannte Röntgen-Nahkanten-Absorptions-Spektroskopie (engl. near-edge x-ray absorption fine structure, NEXAFS) erfasst mithilfe von Röntgenstrahlung die Häufigkeit sowie die räumliche Lage von Atomen oder Molekülen auf einer Oberfläche.

In Kombination mit Methoden der sogenannten Summenfrequenzspektroskopie ist es möglich, Oberflächen mittels Laserstrahlen zu untersuchen. So war das Team in der Lage, die chemischen Prozesse zu analysieren, die an der Oberfläche des Schleims ablaufen.

Die Idee sowie die biologischen Proben für diese Studie kamen von der Forschungsgruppe um Professor Stanislav Gorb vom Zoologischen Institut der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel (CAU). Dafür setzten sie Hornfrösche vor eine Glasscheibe, hinter der sich Beutetiere befanden.

Beim Versuch, mit ihren Zungen die Beute zu fangen, stießen die Frösche an die Glasscheibe. Die hier hinterlassenen Abdrücke der Zungen konnten so gesammelt werden. „Anschließend haben wir diese Abdrücke chemisch analysiert. So konnten wir erstmals die physikalisch-chemischen Prozesse auf Froschzungen erklären und beweisen, dass der Schleim auf Druck reagiert“, so Gorb.

Das Forschungsteam fand heraus, dass sich die zuvor wahllos positionierten Moleküle des Froschzungenschleims beim Zurückziehen der Zunge systematisch in winzigen Fasern, sogenannten Fibrillen, anordnen. Hydrophobe, wasserabweisende, Molekülgruppen richteten sich an der Glasoberfläche aus.

Hydrophile, wasseranziehende Gruppen, ordneten sich am Schleim aus. „Diese physikalische Einwirkung durch das Zurückziehen der Zunge ändert die chemische Struktur des Schleims. So wird die Zunge klebrig“, so Baio.

In einem nächsten Schritt will das Forschungsteam die Interaktionen zwischen Schleimmolekülen und Substraten mit unterschiedlichen physikalisch-chemischen Eigenschaften charakterisieren.

Bildmaterial_steht zum Download bereit:
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Bildunterschrift: Die südamerikanischen Hornfrösche sind Lauerjäger, die halb eingegraben darauf warten, dass sich ihnen Beutetiere nähern.
Foto/Copyright: Thomas Kleinteich

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Bildunterschrift: Die Mikroskopbilder der neuen Technik zeigen unterschiedliche chemische Zusammensetzungen auf der Oberfläche von Froschzungen.
Foto/Copyright: Joe Baio

Kontakt:
Julia Siekmann
Wissenschaftskommunikation
Forschungsschwerpunkt Kiel Nano, Surface and Interface Science (KiNSIS)
Universität Kiel
Telefon: 0431/880-4855
E-Mail: jsiekmann@uv.uni-kiel.de
Web: http://www.kinsis.uni-kiel.de

Details, die nur Millionstel Millimeter groß sind: Damit beschäftigt sich der Forschungsschwerpunkt »Nanowissenschaften und Oberflächenforschung« (Kiel Nano, Surface and Interface Science – KiNSIS) an der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel (CAU). Im Nanokosmos herrschen andere, nämlich quantenphysikalische, Gesetze als in der makroskopischen Welt. Durch eine intensive interdisziplinäre Zusammenarbeit zwischen Physik, Chemie, Ingenieurwissenschaften und Life Sciences zielt der Schwerpunkt darauf ab, die Systeme in dieser Dimension zu verstehen und die Erkenntnisse anwendungsbezogen umzusetzen. Molekulare Maschinen, neuartige Sensoren, bionische Materialien, Quantencomputer, fortschrittliche Therapien und vieles mehr können daraus entstehen. Mehr Informationen auf http://www.kinsis.uni-kiel.de

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„The Surface Chemistry of the Frog Sticky-Tongue Mechanism,” by J. E. Fowler, Thomas Kleinteich, Johannes Franz, Cherno Jaye, Daniel A. Fischer, Stanislav Gorb, Tobias Weidner and Joe E. Baio, Biointerphases (2018). https://doi.org/10.1116/1.5052651

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Dr. Boris Pawlowski Christian-Albrechts-Universität zu Kiel

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