Archive der Vergangenheit

Ein transdisziplinäres Projekt zu Wissenstransfers zwischen Archäologie, Philosophie und Künsten

Wer heute den Begriff „Archäologie“ hört, wird zunächst an die aktuellen Großausstellungen zum Thema denken, an das wieder erstarkte Troja und die ebenfalls wieder aufgekeimte Diskussion um die griechische Klassik im Berliner Martin-Gropius-Bau. Dass die Archäologie seit ihren Anfängen in andere Bereiche des Wissens ausstrahlt wie kaum eine zweite Disziplin, ist die These des Forschungsprojektes „Archive der Vergangenheit“. Es untersucht die vielfältigen Transferbewegungen zwischen Archäologie, Philosophie und Künsten.

Von Kant bis Foucault reicht das Register derjenigen Philosophen, die auf archäologische Anleihen zurück gegriffen haben, um ihr Misstrauen gegenüber herkömmlichen Geschichtserzählungen zu artikulieren. Medien- und technikhistorische „archäologische“ Forschungsprojekte schießen derzeit wie Pilze aus dem Boden. Die Facharchäologien sind an diesem wissenschaftlichen „Boom des Archäologischen“ kaum beteiligt. Selbstbewusst generieren sie nach wie vor aus nichtschriftlichen Daten Geschichtserzählungen. „Archäologie“ als ein Schlüsselbegriff wird in verschiedenen Wissenschaftsbereichen widersprüchlich, wenn nicht konträr besetzt. Die Aktualität des Archäologischen außerhalb der Wissenschaften zeigt sich in öffentlichkeitswirksamen Ausstellungen sowie in Film- und Software-Produkten. Hier tritt Archäologie als Vermittlerin des unmittelbaren Erlebnisses übersichtlicher Zustände oder eindeutiger Abläufe auf.
Der Blick auf die unterschiedlichen Facetten des Archäologie-Booms weist darauf hin, dass Vergangenheit in wachsendem Maße an diejenigen Techniken und Institutionen angeschlossen wahrgenommen wird, die entsprechendes Wissen erzeugen, aufzeichnen und wieder verteilen. Neben die allgemeine Rückwendung zur Geschichte tritt vermehrt das Bewusstsein ihrer materiellen Niederlegung und Speicherung. Techniken und Medien, Speicher und Archive werden dabei selbst zu Produzenten kulturellen Wissens um die Vergangenheit. Wenn aber das Archiv das Archivierte mitbestimmt, dann muss jede Information und jedes Wissen aus diesem Archiv über diese Agentur mitinformieren.

Dieser Einsicht stellt sich das Forschungsprojekt „Archive der Vergangenheit“ im Institut für Kultur- und Kunstwissenschaften, das am 1. März 2002 seine Arbeit aufnahm. Es wird über eine Laufzeit von drei Jahren durch die Volkswagen-Stiftung im Rahmen ihres Förderprogramms „Schlüsselthemen der Geisteswissenschaften“ mit 500.000 Euro gefördert. „Archive der Vergangenheit“ arbeitet in zehn Teilprojekten, das Themenspektrum reicht von der „Philosophischen Archäologie“ Kants von 1793 über den Einsatz der Fotografie in der Archäologie bis hin zur Rudolf Virchow, der die Hinterlassenschaft vergangener Zeiten bekanntlich in Abfallbehältern in der Dorotheenstraße sichtete. Um die Art und Weise archäologischer Wissensgewinnung und -vermittlung anschaulich zu machen, wird im Rahmen des Projektes – zum ersten Mal überhaupt – ein Befund mehrerer übereinander gelagerter Erdschichten in eine virtuelle Realität überführt.

Informationen: Dr. Stefan Altekamp, Tel. (030) 2093-2040, stefan.altekamp@culture.hu-berlin.de

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Heike Zappe idw

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