Training mit Feedback im virtuellen Reinraum

Reales Training im virtuellen Reinraum: Die für eine Mehrwandprojektion konzipierte Trainingsumgebung läuft auch auf der zweiseitigen Holobench - hier eine vergleichbare Applikation in stereoskopischer Darstellung. ©Fraunhofer IPA

Im Reinraum herrschen Arbeitsbedingungen, die sich von denen in der übrigen Fertigung deutlich unterscheiden. Ein neues Virtual-Reality-Trainingskonzept bereitet „Reinraum-Frischlinge“ ohne Beeinträchtigung der laufenden Fertigung auf diese besondere Umgebung vor. „Alten Hasen“ gibt es Gelegenheit, sich mit Veränderungen im Produktionsablauf vertraut zu machen.

Reales Training im virtuellen Reinraum: Die für eine Mehrwandprojektion konzipierte Trainingsumgebung läuft auch auf der zweiseitigen Holobench – hier eine vergleichbare Applikation in stereoskopischer Darstellung. ©Fraunhofer IPA Virtual Prototyping ist in der Automobilindustrie bereits gang und gäbe. Der nächste logische Schritt, virtuelle Umgebungen, generiert aus den vorhandenen Konstruktionsdaten, auch für Praktikabilitätstest oder Schulungen einzusetzen, ist hier bereits in Vorbereitung. Ein vergleichbares Trainingskonzept haben Wissenschaftler des Fraunhofer IPA nun auch für die Schulung von Reinraumpersonal entwickelt. „Vor allem neuen Mitarbeitern aus anderen Fertigungsbereichen ist anfangs kaum bewusst, dass nicht nur neue Tätigkeiten in einer speziellen Arbeitskleidung auf sie zukommen, sondern dass schon die Umgebung an sich besondere Verhaltensweisen erfordert“, hat Reinraumexperte Joachim Seidelmann vom Fraunhofer IPA immer wieder erfahren. „Denn die größte Quelle von Verunreinigungen im Reinraum ist ganz klar der Mensch – trotz Schleusen und Schutzkleidung. Seine Anwesenheit genügt bereits“, stellt Seidelmann fest. Der Mensch sondert fast ständig Partikel ab. Beugt er sich beispielsweise bei der Arbeit über das Werkstück, setzen sich diese Partikel durch die laminare Luftströmung im Reinraum auf dem Werkstück ab. Zudem kann er durch falsche oder zu schnelle Bewegungen Partikel vom Boden oder höher gelegenen Oberflächen aufwirbeln. Besonders fatal wirken sich Verunreinigungen beispielsweise in der Mikroelektronikfertigung aus. Schon kleinste Partikel wie Staub oder Zigarettenrauch reichen hier aus, um die häufig nur nanometergroßen Bauteilstrukturen unbrauchbar zu machen.

Obwohl der Mensch bereits durch seine Anwesenheit im Raum Verunreinigungen hervorruft, ist seine Mitarbeit bei Handhabungsaufgaben oder Prüf- und Wartungstätigkeiten unerlässlich. Um Störungen des laufenden Betriebs zu vermeiden, sollte deshalb vor allem neues Personal noch vor seinem ersten Einsatz im Reinraum die adäquaten Verhaltensweisen verinnerlicht haben. Vor diesem Hintergrund enstand am Fraunhofer IPA das Trainingskonzept auf der Basis einer Virtual-Reality-Trainingsumgebung. „Das Besondere an dieser Umgebung ist das Feedback-System“, erklärt Projektleiter Holger Joosten. „Der Trainee kann Fehlverhalten nicht nur sehen sondern auch hören und spüren.“ Seine Kopf- und Handbewegungen werden erfasst und auf einen virtuellen Stellvertreter in der Schulungsumgebung übertragen. Von diesem Stellvertreter sieht der Trainee nur die Hände und bekommt so einen subjektiven Eindruck von seinen Bewegungen im virtuellen Raum. Real stecken seine Hände in Datenhandschuhen, die nicht nur alle Bewegungen digitalisieren und übertragen, sondern auch Aktuatoren für haptisches und taktiles Feedback enthalten. Führt der Trainee beispielsweise eine falsche Handbewegung aus, blinkt das Abbild seiner Hand in der Simulation rot und der Datenhandschuh summt und vibriert. Indem er sich real im virtuellen Raum bewegt, lernt er abzuschätzen, wann er zu schnell ist, eine unsachgemäße Haltung einnimmt oder zu geringe Abstände zu den Bauteilen einhält.

„In der virtuellen Umgebung können Vorgehensweisen ausprobiert werden, ohne dass es Konsequenzen in der Produktion nach sich zieht“, so Joosten. „Dies ist sowohl bei der Schulung neuer Mitarbeiter als auch bei der ’praktischen’ Erprobung beispielsweise der Montage neuer Produktreihen von Vorteil.“ Dass eine ganze Reihe unterschiedlicher Alltagsvarianten im Vorfeld getestet werden können, erhöht nicht nur die Ausbildungsqualität, es kann auch teure Konstruktionsfehler vor einem Produktneuanlauf entdecken und vermeiden helfen. Der Aufbau und die Ausgestaltung flexibler Szenarien wie z. B. die Umstellung der Produktion auf größere Wafer (300 mm) lassen sich mit virtuellem Prototyping im Vorfeld simulieren. Zusätzlich ergeben sich Zeitvorteile im Anlauf, da die neue Produktion mit besser geschultem Personal schneller in Betrieb genommen werden kann und weniger Fehler passieren.

Ihr Ansprechpartner für weitere Informationen:

Fraunhofer-Institut für Produktionstechnik
und Automatisierung IPA
Dipl.-Phys. Holger Joosten
Telefon: +49(0)711/970-1286
E-Mail: holger.joosten@ipa.fraunhofer.de

Media Contact

Michaela Neuner idw

Weitere Informationen:

http://www.ipa.fraunhofer.de

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