Dimetrodon: Vorläufer der modernen Wirbelsäule

Knochenbälkchen von Dimetrodon unter dem Mikroskop im polarisierten Licht. Die bunten Farben zeigen die Richtung der Knochenkristallite an, die wiederum von der Wachstumsgeschwindigkeit des Knochens abhängt. © Amin Agliano/Uni Bonn

Die erste wissenschaftliche Beschreibung von Dimetrodon erfolgte am Ende des 19. Jahrhunderts, durch den Paläontologen Edward D. Cope. Alfred S. Romer veröffentlichte 1940 eine umfassende detaillierte Beschreibung dieses frühen säugetier-ähnlichen Reptils.

„Seither löste Dimetrodon eine große Faszination in der Populärkultur aus und ist bis dato Gegenstand zahlreicher wissenschaftlichen Untersuchungen“, sagt Prof. Dr. Martin Sander vom Institut für Geowissenschaften der Universität Bonn.

„Das Ziel unserer Studie war nicht die Form der Knochen, sondern ihre Mikrostruktur, die trotz der Versteinerung auch noch nach Jahrhunderten Millionen Jahren gut erhalten ist“, sagt Erstautor Amin Agliano aus Sanders Team, der die Wirbel in seiner Bachelor-Arbeit unter die Lupe nahm.

Dieses Fachgebiet der Knochenhistologie und Mikroanatomie untersucht die strukturelle Organisation und Eigenschaften des inneren Aufbaus der Knochen. Die Wissenschaftler der Universität Bonn verglichen die Wirbelkörper von Dimetrodon mit seinem zeitgenössischen Verwandten Edaphosaurus – eine weitere ausgestorbene Echse, die über ein Rückensegel verfügte.

Da die Knochenhistologie indirekt mit dem Stoffwechsel eines Wirbeltieres verknüpft ist, kann sie Aussagen zur Evolution der Warmblütigkeit machen, die irgendwann in unseren entfernten Vorfahren entstanden sein muss. Die Fossilien sind etwa 290 Millionen Jahre alt.

„Wir haben die Wirbel extra für diese Untersuchungen in Schichten des Unterperms gesammelt, den berühmten texanischen `Redbeds´, das zu Lebzeiten der Echsen ein Sumpfgebiet mit einer üppigen Vegetation war“, berichtet Sander.

Dünnschliffe, die wie Schmetterlinge aussehen

Für die knochenhistologischen Untersuchungan haben die Forscher die Proben entlang der Körpermitte und quer dazu mit einer Gesteinssäge geschnitten und dann auf etwa einen Zwanzigstel Millimeter so dünn geschliffen, dass der Knochen unter dem Mikroskop durchsichtig wird. „Aufgrund ihrer Form sehen die Wirbel von Dimetrodon und Edaphosaurus in den Schnitten wie Sanduhren oder wie Schmetterlinge aus“, berichtet Tanja Wintrich, die ebenfalls zum Paläontologenteam der Universität Bonn gehört.

Die Wissenschaftler entdeckten deutliche Unterschiede zwischen Edaphosaurus und Dimetrodon – obwohl beide Arten ein ähnliches Rückensegel trugen. Die Wirbel von Edaphosaurus haben eine waben-artige Innenstruktur mit langsam wachsenden Knochentypen. Dimetrodon zeigt dagegen deutliche Anzeichen für schnelleres Wachstum als Edaphosaurus. „Wir spekulieren, dass die Unterschiede im Wachstum mit der Ernährungsweise zusammenhängen könnten“, sagt Agliano. Als Pflanzenfresser war es für Edaphosaurus nicht nötig, einen schnellen Stoffwechsel zu besitzen. Anders beim fleischfressenden Dimetrodon, das aktiv gejagt hat. Sander: „Ausdauernde Jäger mussten warmblütig sein, um ihre Beute über eine längere Strecke verfolgen und schließlich ergreifen zu können.“

Einer der Dimetrodon-Wirbel zeigt ein erstaunliches Merkmal in der Mitte des Wirbelkörpers, das bisher noch nie beschrieben wurde: eine verknöcherte Chorda dorsalis, ein langer und dünner Stab im Rücken, der im Fossil als kleines Röhrchen erhalten ist. Dieses an sich weiche Organ gilt als evolutiver „Vorläufer der Wirbelsäule“ und ist heute noch bei vielen Fischgruppen zu finden. „Selbst in Säugetieren und beim Menschen sind Reste der Chorda dorsalis noch in der Bandscheibe erhalten – als inneres Gel-Kissen“, erläutert Wintrich. „Es ist merkwürdig und spannend zugleich, dass dieses Organ bei unserem Fund verknöcherte.“

Die Wissenschaftler deuten die Chorda dorsalis bei Dimetrodon als einen frühen Vorläufer in der Entwicklung der Wirbelsäule, wie sie heute bei Säugetieren – und auch beim Menschen – vorhanden ist. Das schnelle Wirbelwachstum von Dimetrodon ist nach den Erkenntnissen der Forscher zudem ein Hinweis auf Warmblütigkeit. Agliano: „So lassen sich aus der Knochenmikrostruktur viele interessante Informationen über das Dimetrodon als lebendes Tier ablesen.“

Prof. Dr. Martin Sander
Institut für Geowissenschaften
Universität Bonn
Tel. 0228/733105
E-Mail: martin.sander@uni-bonn.de

Amin Agliano, P. Martin Sander, Tanja Wintrich: Bone Histology and Mircroanatomy of Edaphosaurus and Dimetrodon (Amniota, Synapsida) Vertebrae from the Lower Permian of Texas, The Anatomical Record, DOI: 10.1002/ar.24468

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