Tübinger Wissenschaftler entdecken eiszeitlichen Phallus

Ausstellung „Eiszeitkunst – eindeutig männlich“ in Blaubeuren

Prof. Nicholas Conard und Mitglieder seiner Forschungsmannschaft des Instituts für Ur- und Frühgeschichte und Archäologie des Mittelalters der Universität Tübingen, präsentierten am heutigen 25. Juli 2005 erstmals öffentlich einen altsteinzeitlichen Phallus aus der Höhlenfundstelle „Hohle Fels“ bei Schelklingen auf der Schwäbischen Alb. Der Fund ist ein längliches, intensiv poliertes und graviertes Objekt aus Siltstein, einem feinkörnigen Sedimentgestein, das die Wissenschaftler der Universität Tübingen bei Ausgrabungen im „Hohle Fels“ entdeckt haben und als Phallus interpretieren. Dieses Artefakt eröffnet einen ganz neuen Einblick in die Symbolik und Sexualität der Bevölkerung während der Altsteinzeit und ist eine wichtige Ergänzung zu den sonst seltenen figürlichen Darstellungen aus der Zeit des so genannten Gravettien der Schwäbischen Alb. Das Gravettien ist eine der Hauptkulturen der jüngeren Altsteinzeit und vor allem bekannt für seine zahlreichen Venus-Figuren, wie die berühmte Venus von Willendorf aus Österreich.

Das Objekt ist anhand mehreren Radiokohlenstoff-Messungen auf ein Alter von 28.000 Jahre vor heute datiert. Es ist 19,2 cm lang, 3,6 cm breit und 2,8 cm dick und besteht aus 14 Fragmenten, die im Jahr 2004 und in früheren Grabungskampagnen geborgen wurden. Die Funde stammen aus einer Schicht mit großen Mengen an Steinwerkzeugen und gebrannten Material. Da die extrem lang gestreckte Grundform in der Natur nicht vorkommt, gehen die Tübinger Wissenschaftler von einer künstlichen Bearbeitung durch den Menschen aus. Dafür sprechen auch die klaren Schleifspuren und die starke Politur auf der Oberfläche. An einem Ende wurden mit Steinwerkzeugen sorgfältig mehrere deutliche, rings umlaufende Linien eingeschnitten, so dass das Objekt eindeutig als Phallus erkennbar ist.

Figürliche Darstellungen aus der Altsteinzeit sind häufig mit anderen Funktionen verknüpft. Wie Arbeits- und Nutzungsspuren zeigen, scheint auch dieses Objekt zugleich als Arbeitsgerät und als Symbol für das männliche Geschlecht gedient zu haben. Hierfür sprechen einige Narbenfelder, die eine Nutzung als Schlagstein belegen. Unmittelbare Vergleichsstücke sind aus dem Gravettien nicht bekannt, das insgesamt gesehen viel mehr durch seine berühmten Venusdarstellungen und weibliche Symbolik gekennzeichnet ist. Die neuesten Ergebnisse aus dem Hohle Fels wurden in der neusten Ausgabe von der Zeitschrift Archäologische Ausgrabungen in Baden-Württemberg veröffentlicht.

Der Phallus aus dem Hohle Fels wird ab sofort in einer Sonderausstellung mit dem Titel „Eiszeitkunst – eindeutig männlich“ im Urgeschichtlichen Museum Blaubeuren bis zum 6. Januar 2006 ausgestellt.

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Michael Seifert idw

Weitere Informationen:

http://www.uni-tuebingen.de

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