Solartechnik: Forschende lösen Rätsel um mysteriöses Quantenphänomen

Forschende haben einen quantenmechanischen Mechanismus entschlüsselt, der Solarzellen doppelt so effektiv machen könnte. Foto: AWA, www.flickr.com/photos/rainchurch/ Lizenz: CC BY-SA 2.0

Ein internationales Team von Forschenden der Universitäten Cambridge, Lund und Kiel sowie des Forschungsinstitutes AMOLF in Amsterdam haben erstmals die sogenannte Singulett-Spaltung in Echtzeit beobachtet und aufgeklärt. Das Phänomen könnte bei der Entwicklung von hoch-effizienten Solarzellen helfen.

Was ist die Singulett-Spaltung?

Trifft ein Lichtteilchen (Photon) auf ein Molekül und wird dort absorbiert, dann hebt es in diesem Molekül ein Elektron auf ein höheres Energieniveau. Dieser Zustand höherer Energie wird in der Fachsprache als „Singulett-Exziton“ bezeichnet. Auf dem Weg zurück in seinen ursprünglichen, niedrigeren Energiezustand kann das Elektron über einen äußeren Stromkreis abgeführt werden – es entsteht elektrischer Strom.

In einigen wenigen Fällen ist es möglich, dass ein Molekül seine überschüssige Energie benutzt, um ein zweites Molekül in einen angeregten Zustand zu versetzen. Im Anschluss an diesen Prozess befindet sich dann je ein Elektron in den beiden Molekülen auf einem höheren Energieniveau.

Diese Zustände bezeichnet man als „Triplett-Exzitonen“. Insgesamt kann ein Lichtteilchen also zwei angeregte Elektronen erzeugen, die wiederum zur Erzeugung von elektrischem Strom verwendet werden können – für die Solartechnik ist dieser Vorgang hochinteressant.

Da die Singulett-Spaltung in Femtosekunden (= eine Billiardstel Sekunde) abläuft, ist sie jedoch sehr schwer zu beobachten und zu erklären – und folglich schwer zu kontrollieren. Das internationale Forschungsteam ist letzterem nun näher gekommen, indem es herausgefunden hat, was genau bei diesem Phänomen vor sich geht:

Sie bestrahlten Pentacen-Moleküle mit ultrakurzen Femtosekunden-Laserimpulsen, um zu sehen, ob sich einzelne Photonen in zwei energetisch angeregte Elektronen umwandeln können. Das Ergebnis: Die „zwei für eins“-Umwandlung beinhaltet einen Zwischenzustand, in dem die beiden Triplett-Exzitonen ineinander verschränkt sind.

Schrödingers Katze lässt grüßen

„Das Hauptproblem bei der Echtzeit-Beobachtung der Singulett-Spaltung ist, dass die verknüpften Triplett-Exzitonen für fast alle optischen Abtastungen ‚dunkel‘ sind“, sagt Professorin Dassia Egorova von der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel (CAU). „Das heißt, dass sie nicht direkt durch Licht erzeugt oder vernichtet werden können und somit nicht nachweisbar sind.“

Um das zu umgehen, haben die Experimentatoren aus Cambridge und Amsterdam das sogenannte zwei-dimensionale Photonen-Echo Signal in einem weltweit führenden Labor in Lund gemessen. Angeführt von Egorovas Kieler Team konnten sie anschließend ein erklärendes Modell entwickeln. Es beweist, dass wenn Pentacen-Moleküle von Laserimpulsen zur Vibration angeregt werden, sich ihre Form verändert.

Das führt dazu, dass das verschränkte Triplett-Paar kurzzeitig in der Lage ist, Licht zu absorbieren und damit nachweisbar wird. „Das Modell erklärt, dass die Moleküle durch das Vibrieren neue Quantenzustände besitzen, die gleichzeitig die Eigenschaften sowohl des lichtabsorbierenden Singulett-Exzitons, als auch die des ‚dunklen‘ Triplett-Paars haben“, sagt Egorova.

Zwei entgegengesetzte Zustände also, die in der Quantentheorie als „Superpositionen“ beschrieben werden. Bekannt sind diese seit Erwin Schrödingers Gedankenexperimenten aus den 1930er Jahren, nach denen eine Katze in einer Kiste mit den Regeln der Quantentheorie gleichzeitig lebendig und tot ist.

Die Studie aus Cambridge, Lund, Kiel und Amsterdam könnte jetzt dazu führen, die Singlett-Spaltung kontrollierbar zu machen. Neuartige, hoch-effiziente Solarzellen könnten dann doppelt so viel Strom aus einfallendem Licht erzeugen.

Originalpublikation:
Bakulin, Artem et. al.
Real-time observation of multiexcitonic states in ultrafast singlet fission using coherent 2D electronic spectroscopy
Nature Chemistry (2015) | DOI: 10.1038/nchem.2371

Kontakt:
Professorin Dr. Dassia Egorova
Institut für Physikalische Chemie
Tel.: 0431/880 7741
E-Mail: egorova@phc.uni-kiel.de

Christian-Albrechts-Universität zu Kiel
Presse, Kommunikation und Marketing, Dr. Boris Pawlowski, Text: Denis Schimmelpfennig
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Denis Schimmelpfennig Christian-Albrechts-Universität zu Kiel

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