Wie Proteine Ribonukleinsäuren spezifisch erkennen

Vom Gen zum Protein ist es ein langer Weg: Um Erbinformationen in Proteine zu „übersetzen“, werden die auf dem Genom kodierten Informationen über sogenannte Boten-Ribonukleinsäuren (messenger oder mRNAs) vom Zellkern zu den Ribosomen transportiert. In den Ribosomen werden dann die Proteine hergestellt.

Die Expression der Boten-RNAs wird zum großen Teil durch RNA-bindende Proteine gesteuert, von denen es beim Menschen mehr als 1.000 gibt. Wie diese Proteine die RNA spezifisch erkennen, ist noch weitgehend unbekannt.

Unter Federführung der Arbeitsgruppe von Prof. Dr. Albrecht Bindereif, Institut für Biochemie der Justus-Liebig-Universität Gießen (JLU), wurde gemeinsam mit Teams des Helmholtz-Zentrum München und der Universität Halle nun ein systematischer Ansatz entwickelt, mit dem kombinatorische RNA-Erkennungsprozesse analysiert und molekular aufgeklärt werden können. Diese Methode wurde in der Fachzeitschrift „Nature Communications“ publiziert.

Die Proteine, die an die RNA binden, besitzen RNA-Erkennungsdomänen. Dies sind besondere Bereiche, mit denen die Proteine wenige Nukleotidbausteine auf der RNA „erkennen“ und zum Beispiel die Stabilität oder die zelluläre Lokalisation der RNA bestimmen und regulieren.

Zahlreiche RNA-Bindeproteine besitzen sogar mehrere Erkennungsbereiche innerhalb desselben Proteins, die jeweils an kurze benachbarte Sequenzelemente auf der RNA binden. So kann ein längerer RNA-Abschnitt mit hoher Spezifität erkannt werden.

Wie diese kombinatorische RNA-Erkennung funktioniert und systematisch untersucht werden kann, haben die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler nun erforscht.

Ihre allgemein anwendbare experimentelle Strategie etablierten sie an einem klassischen RNA-Bindeprotein: IMP3, ein bekanntes Tumor-Markerprotein, das über sechs Erkennungsbereiche seine RNA-Zielsequenzen mit hoher Genauigkeit findet. „Diese experimentelle Strategie wird auch erlauben, neue Zielgene dieses tumorrelevanten Proteins zu identifizieren und dadurch neue Krankheitsmechanismen aufzuklären“, so Prof. Bindereif.

Für die Entwicklung der Strategie war multidisziplinäre Zusammenarbeit essenziell: Das Team von Prof. Bindereif (JLU) arbeitete im Bereich Biochemie und Bioinformatik, drei weitere Gruppen führten strukturbiologische molekulare Analysen durch (Prof. Dr. Michael Sattler, Dr. Andreas Schlundt, Prof. Dr. Dierk Niessing, alle am Helmholtz-Zentrum München) und eine weitere brachte zellbiologische Expertise ein (Prof. Dr. Stefan Hüttelmaier, Universität Halle).

Diese beteiligten Gruppen arbeiten in einem DFG-geförderten Schwerpunktprogramm (SPP 1935) zusammen, außerdem handelt es sich um eine Kooperation innerhalb des seit dem Juli 2018 laufenden DFG-Graduiertenkollegs zu regulatorischen Ribonukleinsäuren
(GRK 2355).

Prof. Dr. Albrecht Bindereif
Institut für Biochemie
Heinrich-Buff-Ring 17, 35392 Gießen
Telefon: 0641 99-35420

Tim Schneider, Lee-Hsueh Hung, Masood Aziz, Anna Wilmen, Stephanie Thaum, Jacqueline Wagner Robert Janowski, Simon Müller, Silke Schreiner, Peter Friedhoff, Stefan Hüttelmaier, Dierk Niessing, Michael Sattler, Andreas Schlundt, Albrecht Bindereif. Combinatorial recognition of clustered RNA elements by the multidomain RNA-binding protein IMP3. Nature Communications 2019 May 22;10(1):2266.
DOI: 10.1038/s41467-019-09769-8
www.nature.com/articles/s41467-019-09769-8

Media Contact

Caroline Link idw - Informationsdienst Wissenschaft

Weitere Informationen:

http://www.uni-giessen.de/

Alle Nachrichten aus der Kategorie: Biowissenschaften Chemie

Der innovations-report bietet im Bereich der "Life Sciences" Berichte und Artikel über Anwendungen und wissenschaftliche Erkenntnisse der modernen Biologie, der Chemie und der Humanmedizin.

Unter anderem finden Sie Wissenswertes aus den Teilbereichen: Bakteriologie, Biochemie, Bionik, Bioinformatik, Biophysik, Biotechnologie, Genetik, Geobotanik, Humanbiologie, Meeresbiologie, Mikrobiologie, Molekularbiologie, Zellbiologie, Zoologie, Bioanorganische Chemie, Mikrochemie und Umweltchemie.

Zurück zur Startseite

Kommentare (0)

Schreiben Sie einen Kommentar

Neueste Beiträge

Diamantstaub leuchtet hell in Magnetresonanztomographie

Mögliche Alternative zum weit verbreiteten Kontrastmittel Gadolinium. Eine unerwartete Entdeckung machte eine Wissenschaftlerin des Max-Planck-Instituts für Intelligente Systeme in Stuttgart: Nanometerkleine Diamantpartikel, die eigentlich für einen ganz anderen Zweck bestimmt…

Neue Spule für 7-Tesla MRT | Kopf und Hals gleichzeitig darstellen

Die Magnetresonanztomographie (MRT) ermöglicht detaillierte Einblicke in den Körper. Vor allem die Ultrahochfeld-Bildgebung mit Magnetfeldstärken von 7 Tesla und höher macht feinste anatomische Strukturen und funktionelle Prozesse sichtbar. Doch alleine…

Hybrid-Energiespeichersystem für moderne Energienetze

Projekt HyFlow: Leistungsfähiges, nachhaltiges und kostengünstiges Hybrid-Energiespeichersystem für moderne Energienetze. In drei Jahren Forschungsarbeit hat das Konsortium des EU-Projekts HyFlow ein extrem leistungsfähiges, nachhaltiges und kostengünstiges Hybrid-Energiespeichersystem entwickelt, das einen…

Partner & Förderer