Wie funktioniert der Magnetsinn von Tieren?

Untersuchungen an Rotkehlchen haben dazu beigetragen, dass Wissenschaftler den Magnetsinn immer besser verstehen. Foto: Henrik Mouritsen/Universität Oldenburg

Auch ohne Hilfe von erfahrenen Begleitern finden junge Singvögel wie Rotkehlchen den Weg in ihre Winterquartiere. Küstenseeschwalben brüten in der Arktis und fliegen bis in die Südpolarregion, um dort zu überwintern. Diese langen Wanderungen lassen sich laut Mouritsen in drei Phasen einteilen: die Langstrecken-Phase, die Phase der groben Zielsuche und die Phase, in der die Tiere ihr Ziel genau anpeilen.

Dabei nutzen verschiedene Gruppen von Tieren wie Schmetterlinge, Fische, Amphibien oder Vögel in den drei Phasen unterschiedliche Kombinationen von Sinneseindrücken, um die Aufgabe zu meistern. Für Singvögel, die nachts ziehen, sind beispielsweise in der Langstrecken-Phase vor allem Himmelskörper und das Magnetfeld wichtige Navigationshilfen.

Während der Zielsuche verlassen sie sich auf erlernte Karten, die sie sich durch verschiedene Sinneseindrücke angeeignet haben. In der letzten Phase finden sie beispielsweise ihr Nest mit Hilfe von besonderen Landmarken.

„Da diese Singvögel alleine ziehen, verlassen sie sich bei ihrer ersten Wanderung auf ihre ererbte innere Uhr und ihren ererbten inneren Kompass“, erläutert Mouritsen. „Sie wissen, wie weit sie in eine bestimmte Richtung fliegen müssen, etwa nach Afrika.“ Allerdings kämen etwa 70 Prozent der jungen Vögel nicht zurück. Sobald sie aber die Route einmal geflogen sind, haben sie eine innere Karte erlernt, der sie wieder folgen können. „Dann finden sie ihr Ziel mit einer Präzision von wenigen Zentimetern“, sagt Mouritsen.

In den vergangenen zwei Jahrzehnten habe die Forschung über den Magnetsinn von Vögeln große Fortschritte gemacht, betont der Neurobiologe. So hat seine Arbeitsgruppe zusammen mit verschiedenen internationalen Wissenschaftlern unter anderem wichtige Hinweise darauf gefunden, wie das Vogelauge mit Hilfe von Licht das Erdmagnetfeld wahrnehmen kann. Diesen sogenannten Radikal-Paar-Mechanismus untersuchen die Wissenschaftler seit einigen Jahren auf quantenmechanischer Ebene.

„Wenn unsere Annahmen richtig sind – und das halte ich für sehr wahrscheinlich – dann könnten die Ergebnisse unser Verständnis von biologischen Sinnessystemen fundamental ändern“, sagt Mouritsen. Denn die quantenchemischen Untersuchungen deuten darauf hin, dass der Magnetsinn von Vögeln bis zu eine Million Mal empfindlicher ist als das, was Forscher bisher als Grenze für biologische Sinne angenommen haben.

Um künftig noch besser zu verstehen, wie Tiere und insbesondere Vögel ihre erstaunliche Navigationsleistung erreichen, seien multidisziplinäre Ansätze besonders wichtig, betont Mouritsen. Diese müssten etwa Erkenntnisse aus der Quantenmechanik, Neurobiologie oder Genetik mit Studien zur Sinneswahrnehmung und zum Verhalten in freier Wildbahn kombinieren.

H. Mouritsen (2018). Long-distance navigation and magnetoreception in migratory animals. Nature 558, 50–59.

http://uol.de/magnetsinn
https://www.nature.com/articles/s41586-018-0176-1
http://uol.de/ibu/neurosensorik

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Dr. Corinna Dahm-Brey idw - Informationsdienst Wissenschaft

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