Vorwärts oder rückwärts? – Neue Wege für den Protonentransport in Wasser oder Methanol

Abbildung 1 MBI

Der Austausch von Protonen zwischen zwei chemischen Gruppen (Säure-Base-Neutralisierung) ist eigentlich ein Lehrbuch-Problem. Umso erstaunlicher ist es, dass auch heute noch fundamentale neue Erkenntnisse über die elementaren Prozesse gewonnen werden. Dies liegt auch daran, dass die Bewegung der beteiligten Elementarteilchen (Protonen, H+ oder eben Protonen-Fehlstellen, OH– bzw. CH3O–) auf Zeitskalen stattfindet, die so klein sind, dass sie „normalen“ Laborexperimenten nicht zugänglich sind (Abbildung 1).

Die von den beiden Arbeitsgruppen am Max-Born-Institut und an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg beobachteten Prozesse finden auf Zeitskalen von 1-100 Pikosekunden statt (0,000000000001 bis 0,0000000001 Sekunden), was eine entsprechend präzise experimentelle Methode sowie modernste Hochleistungsrechner erfordert.

Die beiden Forschergruppen haben an einem Modellmolekül gearbeitet (7-Hydrochinolin in einem Wasser-Methanol-Gemisch), bei dem ein kurzer Laser-Lichtblitz die Deprotonierung einer OH-Gruppe und die Protonierung eines Stickstoffatoms induziert.

Die genaue Abfolge der Elementarprozesse bei dieser Art von Reaktionen war bislang unklar und hat für diverse Spekulationen gesorgt. Wie die Wissenschaftler nun zeigen konnten, löst sich zwar tatsächlich recht schnell ein Proton von der OH-Gruppe, aber die Protonierung des Stickstoffatoms aus dem Lösungsmittel findet bereits vorher statt, so dass es effektiv zu einem Transport einer Protonen-Fehlstelle bzw. eines OH– Ions kommt. Die einzelnen Reaktionsschritte konnten durch zeitaufgelöste Schwingungsspektren im infraroten Spektralbereich und detaillierte quantenchemische Rechnungen konkret nachgewiesen werden (Abbildung 2).

Abbildung 1: Protonentransport in Wasser, wo die H+ bzw. OH– Ladung sich in Schritten bewegt. Das Modelsystem 7-Hydroxychinolin legt die Richtung des Ladungstransfers fest.

Abbildung 2: Bestimmung des mikroskopischen Mechanismus von Protonentransport von 7-Hydroxychinolin in Wasser/Methanol Lösungen, von dem Reaktant N* über das Intermediat C* zum zwitterionischen Produkt Z*, mittels UV-Anrege/Infrarot-Abtast Spektroskopie von infrarotaktiven Schwingungsmoden (a), und Ab Initio Molekulardynamiktrajektorien (b).

Der Schnappschuss in (b) zeigt den Moment in dem der erste Schritt, Proton Abstraktion von dem benachbarten Wassermolekül zu dem Stickstoffatom in 7-Hydroxychinolin (oben, blau), stattgefunden hat und ein OH– Ion (orange) gebildet ist, umgeben von anderen Lösungsmittelmolekülen.

Max-Born-Institut für Nichtlineare Optik und Kurzzeitspektroskopie
Dr. Erik T. J. Nibbering.
E-Mail Erik.Nibbering@mbi-berlin.de

M. Ekimova, F. Hoffmann, G. Bekçioğlu-Neff, A. Rafferty , O. Kornilov, E. T. J. Nibbering and D. Sebastiani. Ultrafast proton transport between a hydroxy acid and a nitrogen base along solvent bridges governed by hydroxide/methoxide transfer mechanism. Journal of the American Chemical Society 141 (37), 14581-14592 (2019).
DOI: http://dx.doi.org/10.1021/jacs.9b03471

Media Contact

Dr. Natalia Stolyarchuk Forschungsverbund Berlin e.V.

Weitere Informationen:

http://www.fv-berlin.de

Alle Nachrichten aus der Kategorie: Biowissenschaften Chemie

Der innovations-report bietet im Bereich der "Life Sciences" Berichte und Artikel über Anwendungen und wissenschaftliche Erkenntnisse der modernen Biologie, der Chemie und der Humanmedizin.

Unter anderem finden Sie Wissenswertes aus den Teilbereichen: Bakteriologie, Biochemie, Bionik, Bioinformatik, Biophysik, Biotechnologie, Genetik, Geobotanik, Humanbiologie, Meeresbiologie, Mikrobiologie, Molekularbiologie, Zellbiologie, Zoologie, Bioanorganische Chemie, Mikrochemie und Umweltchemie.

Zurück zur Startseite

Kommentare (0)

Schreiben Sie einen Kommentar

Neueste Beiträge

Diamantstaub leuchtet hell in Magnetresonanztomographie

Mögliche Alternative zum weit verbreiteten Kontrastmittel Gadolinium. Eine unerwartete Entdeckung machte eine Wissenschaftlerin des Max-Planck-Instituts für Intelligente Systeme in Stuttgart: Nanometerkleine Diamantpartikel, die eigentlich für einen ganz anderen Zweck bestimmt…

Neue Spule für 7-Tesla MRT | Kopf und Hals gleichzeitig darstellen

Die Magnetresonanztomographie (MRT) ermöglicht detaillierte Einblicke in den Körper. Vor allem die Ultrahochfeld-Bildgebung mit Magnetfeldstärken von 7 Tesla und höher macht feinste anatomische Strukturen und funktionelle Prozesse sichtbar. Doch alleine…

Hybrid-Energiespeichersystem für moderne Energienetze

Projekt HyFlow: Leistungsfähiges, nachhaltiges und kostengünstiges Hybrid-Energiespeichersystem für moderne Energienetze. In drei Jahren Forschungsarbeit hat das Konsortium des EU-Projekts HyFlow ein extrem leistungsfähiges, nachhaltiges und kostengünstiges Hybrid-Energiespeichersystem entwickelt, das einen…

Partner & Förderer