Präzisionsgenfähren für gezieltes Ansteuern von therapierelevanten Zellen nach Injektion ins Blut

AAV-Präzisionsgenfähren: Die Rezeptor-bindenden Zielstrukturen (DARPins) sind rot, gelb oder grün dargestellt. Durch sie können die Genfähren therapierelevante Zellen im Körper ansteuern. Paul-Ehrlich-Institut (PEI)

Als Transportmittel für den gezielten Gentransfer verwendeten die Forscher um Prof. Christian J. Buchholz, Projektleiter im LOEWE Zentrum für Zell- und Gentherapie Frankfurt und Leiter der Arbeitsgruppe „Molekulare Biotechnologie und Gentherapie“ des Präsidenten des Paul-Ehrlich-Instituts, vom Adeno-assoziierten Virus (AAV) abgeleitete Vektoren.

AAV ist ein nicht pathogenes Parvovirus. Das einzige bisher in Europa zugelassene Gentherapeutikum zur Behandlung einer seltenen Stoffwechselkrankheit basiert ebenfalls auf AAV-Genfähren.

Das Konzept zur Erzeugung der neuen Präzisionsgenfähren wurde gemeinsam mit PD Dr. Hildegard Büning, Leiterin der Arbeitsgruppe „AAV Vektorentwicklung“ am ZMMK der Universität zu Köln, entwickelt und umgesetzt: Durch Austausch zweier Aminosäuren des AAV nahmen die Forscher dem Virus die Fähigkeit, an seinen natürlichen Rezeptor zu binden und so die Möglichkeit, in eine große Bandbreite unterschiedlichster Zelltypen einzudringen.

Dann wurden Zielstrukturen (DARPins, designed ankyrin repeat proteins), die an der Universität Zürich entwickelt worden waren, an die Oberfläche der modifizierten Vektorpartikel angehängt. Diese können nun so gewählt werden, dass sie die Vektorpartikel an Zellrezeptoren binden, die nur auf einem therapierelevanten Zelltyp vorhanden sind. So wird das Andocken und Eindringen des AAV-Vektors in die gewünschte Zielzelle ermöglicht.

In der vorliegenden Arbeit wurden DARPins mit hoher Spezifität für die Tumorantigene Her2/neu, das bei Brustkrebs eine wesentliche Rolle spielt, und EpCAM, ein epitheliales Oberflächenprotein, sowie Marker bestimmter Blutzellen (CD4 auf der Oberfläche von Lymphozyten mit bestimmter immunologischer Funktion) verwendet.

Im Mausmodell traf der Vektor für Her2/neu bereits nach einmaliger Injektion 80 Prozent aller Tumormetastasen. Wurde mit dem Vektor ein zelltötendes Gen gezielt in die Tumorzellen eingeschleust, war die Überlebensrate der Mäuse deutlich besser als nach Gabe eines zugelassenen Tumormedikaments. Mit dem Vektor gegen EpCAM ließen sich Tumorzellen in humanem Blut hochsensitiv detektieren (wenige hundert Tumorzellen in mehreren Millilitern Blut).

Und auch der Vektor, der auf Blutzellen ausgerichtet wurde, traf sein Ziel: Nur an Lymphozyten in der Milz, die tatsächlich das CD4-Protein und damit die Zielstruktur trugen, dockte AAV an und übertrug das Gen.

„Das von uns gemeinsam entwickelte Verfahren ist sowohl für die Grundlagenforschung als auch für den gezielten Gentransfer in der Medizin ein vielversprechendes Werkzeug“, erläutert Buchholz die aktuellen Forschungsergebnisse.

Veröffentlichung:
Münch RC, Muth A, Muik A, Friedel T, Schmatz J, Dreier B, Trkola A, Plückthun A, Büning H, Buchholz CJ (2015): Off-target-free gene delivery by affinity-purified receptor-targeted viral vectors. Nat Commun Feb 10
http://www.nature.com/ncomms/2015/150210/ncomms7246/full/ncomms7246.html

Das Paul-Ehrlich-Institut in Langen bei Frankfurt am Main ist als Bundesinstitut für Impfstoffe und biomedizinische Arzneimittel eine Bundesoberbehörde im Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Gesundheit (BMG). Es erforscht, bewertet und lässt biomedizinische Human-Arzneimittel und Veterinär-Impfstoffe zu und ist für die Genehmigung klinischer Prüfungen sowie die Pharmakovigilanz – Erfassung und Bewertung möglicher Nebenwirkungen – zuständig. Die staatliche Chargenprüfung, wissenschaftliche Beratung/Scientific Advice und Inspektionen gehören zu den weiteren Aufgaben des Instituts. Unverzichtbare Basis für die vielseitigen Aufgaben ist die eigene experimentelle Forschung auf dem Gebiet der Biomedizin und der Lebenswissenschaften. Das Paul-Ehrlich-Institut mit seinen rund 800 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern nimmt zudem Beratungsfunktionen in nationalem (Bundesregierung, Länder) und internationalem Umfeld (Weltgesundheitsorganisation, Europäische Arzneimittelbehörde, Europäische Kommission, Europarat und andere) wahr.

Weitere Informationen:

http://www.pei.de

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Dr. Susanne Stöcker idw - Informationsdienst Wissenschaft

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