Perfekte Navigation: Bayreuther Mikrobiologen lösen das Rätsel der Kompassnadel in Magnetbakterien

Superauflösende Fluoreszenzmikroskopie lebender Zellen zeigt, wie das MamY-Protein in der Zelle angeordnet ist: Es folgt der stärksten Krümmung der inneren Zelloberfläche. Mikroskopische Aufnahme: Mauricio Toro-Nahuelpan, Giacomo Giacomelli, Marc Bramkamp.

Viele Tiere, wie beispielsweise Zugvögel oder Honigbienen, aber auch bestimmte Einzeller können das Erdmagnetfeld zur Navigation benutzen. Während dieser „sechste Sinn“ bei Tieren sich einer wissenschaftlichen Erklärung immer noch entzieht, ist er bei Bakterien bereits teilweise verstanden.

Schon seit langem ist bekannt, dass Bakterien der Spezies Magnetospirillum gryphiswaldense das Erdmagnetfeld für die Navigation benutzen können. Jedes Bakterium bildet hierfür in seiner Zelle bis zu 50 Magnetosomen, die an eine fadenförmige Struktur angeheftet sind.

Diese Anheftung bewirkt, dass die Magnetit-Kristalle nicht infolge ihrer eigenen Anziehungskraft verklumpen, sondern aufgereiht werden und damit die Funktion einer Kompassnadel übernehmen. So können die Bakterien bei ihren Schwimmbewegungen der Ausrichtung des Erdmagnetfelds folgen und gelangen dadurch schneller in ihren bevorzugten Lebensraum, die Sedimente von Gewässern.

Rätselhaft war allerdings bisher, weshalb die flexible Kette der Magnetosomen eine so stabile geradlinige Form hat – während doch die Bakterienzelle spiralförmig gedreht ist. Zudem wurden in manchen Bakterien kurze Magnetosomen-Ketten beobachtet, die sich offensichtlich ohne die bereits bekannte fadenförmige Struktur gebildet hatten. Die Vermutung lag deshalb nahe, dass es noch ein anderes Stützprotein geben müsse, das magnetotaktischen Bakterien zu ihrer Kompassnadel verhilft.

Diesem Protein ist das Forschungsteam unter der Leitung von Dr. Frank Müller und Prof. Dr. Dirk Schüler an der Universität Bayreuth jetzt auf die Spur gekommen. Experimente mit hochsensiblen Geräten und Verfahren, unter anderem der Superauflösenden Mikroskopie und der Cryo-Elektronentomografie, haben gezeigt:

Das Strukturprotein MamY bewirkt nicht nur die geradlinige Anordnung der Magnetosomen-Kette, sondern es platziert diese Kette in der Bakterienzelle so, wie es für die Ausrichtung der Schwimmbewegungen am Erdmagnetfeld am besten ist, nämlich genau parallel zur Längsachse der Zelle.

In Bakterien, die kein MamY enthalten, bilden die Magnetitkristalle zwar eine Kette, aber nicht mehr in einer geradlinigen Form. Die Kompassnadel ist sozusagen verbogen, was dazu führt, dass die Zellen bei ihren Schwimmbewegungen ins Trudeln kommen. Und in Bakterien, die weder MamY noch die bekannte fadenförmige Struktur besitzen, lassen sich schließlich überhaupt keine Ketten mehr erkennen, weil die Magnetosomen komplett verklumpen.

„Alle diese Beobachtungen erhärten die Schlussfolgerung: MamY ist das Schlüsselprotein, das die Magnetosomen-Kette so in der Zelle anordnet, dass die Funktion einer Kompassnadel perfekt erfüllt wird. Das Protein ermöglicht den Bakterien somit eine optimale Navigation“, erklärt Dr. Frank Müller, federführender Autor der Studie und Wissenschaftler am Lehrstuhl für Mikrobiologie der Universität Bayreuth.

Die Forscher zeigen in ihrer Veröffentlichung auch, wie es dem Strukturprotein MamY gelingt, die stabförmige Kompassnadel in der spiralförmigen Bakterienzelle zu platzieren. Es erkennt die Stellen, an denen die gewundene Zelloberfläche die stärkste Krümmung aufweist. Dadurch markiert es die kürzeste Verbindung zwischen den beiden Enden der Zelle, die sogenannte „geodätische Achse“. Hier wird die Magnetosomen-Kette dann verankert. So kann sich das Bakterium mit hoher Präzision am Erdmagnetfeld entlang fortbewegen.

Förderung:

Die Studie erhielt finanzielle Unterstützung durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft und den Europäischen Forschungsrat (ERC).

Abbildungen zum Download: http://www.uni-bayreuth.de/de/universitaet/presse/pressemitteilungen/2019/096-Ma…

Dr. Frank-Dietrich Müller
Lehrstuhl für Mikrobiologie
Universität Bayreuth
Telefon: +49 (0)921 55-2722
E-Mail: frank.mueller@uni-bayreuth.de

Prof. Dr. Dirk Schüler
Lehrstuhl für Mikrobiologie
Universität Bayreuth
Telefon: +49 (0)921 55-2729
E-Mail: dirk.schueler@uni-bayreuth.de

M. Toro-Nahuelpan, G. Giacomelli, O. Raschdorf, S. Borg, J.M. Plitzko, M. Bramkamp, D. Schüler and F.D. Müller: MamY is a membrane-bound protein that aligns magnetosomes and the motility axis of helical magnetotactic bacteria. Nature Microbiology (2019). DOI: http://dx.doi.org/10.1038/s41564-019-0512-8.

Media Contact

Christian Wißler Universität Bayreuth

Weitere Informationen:

http://www.uni-bayreuth.de/

Alle Nachrichten aus der Kategorie: Biowissenschaften Chemie

Der innovations-report bietet im Bereich der "Life Sciences" Berichte und Artikel über Anwendungen und wissenschaftliche Erkenntnisse der modernen Biologie, der Chemie und der Humanmedizin.

Unter anderem finden Sie Wissenswertes aus den Teilbereichen: Bakteriologie, Biochemie, Bionik, Bioinformatik, Biophysik, Biotechnologie, Genetik, Geobotanik, Humanbiologie, Meeresbiologie, Mikrobiologie, Molekularbiologie, Zellbiologie, Zoologie, Bioanorganische Chemie, Mikrochemie und Umweltchemie.

Zurück zur Startseite

Kommentare (0)

Schreiben Sie einen Kommentar

Neueste Beiträge

Diamantstaub leuchtet hell in Magnetresonanztomographie

Mögliche Alternative zum weit verbreiteten Kontrastmittel Gadolinium. Eine unerwartete Entdeckung machte eine Wissenschaftlerin des Max-Planck-Instituts für Intelligente Systeme in Stuttgart: Nanometerkleine Diamantpartikel, die eigentlich für einen ganz anderen Zweck bestimmt…

Neue Spule für 7-Tesla MRT | Kopf und Hals gleichzeitig darstellen

Die Magnetresonanztomographie (MRT) ermöglicht detaillierte Einblicke in den Körper. Vor allem die Ultrahochfeld-Bildgebung mit Magnetfeldstärken von 7 Tesla und höher macht feinste anatomische Strukturen und funktionelle Prozesse sichtbar. Doch alleine…

Hybrid-Energiespeichersystem für moderne Energienetze

Projekt HyFlow: Leistungsfähiges, nachhaltiges und kostengünstiges Hybrid-Energiespeichersystem für moderne Energienetze. In drei Jahren Forschungsarbeit hat das Konsortium des EU-Projekts HyFlow ein extrem leistungsfähiges, nachhaltiges und kostengünstiges Hybrid-Energiespeichersystem entwickelt, das einen…

Partner & Förderer