Oben heiss, unten kalt: Unerwarteter Treibhausgaseffekt in Seen

Auswirkungen des Klimawandels auf die Wassertemperatur und -transparenz, die Dichteschichtung und den Sauerstoffgehalt in Seen. Universität Basel

Seen spielen eine wichtige Rolle im globalen Kohlenstoffkreislauf. Sie fungieren als grosse, natürliche Bioreaktoren. Ob ein See viel oder wenig klimawirksame Gase wie Kohlendioxid oder Methan an die Atmosphäre abgibt, ist temperaturabhängig.

Bislang ging man davon aus, dass bei anhaltend steigenden Temperaturen die Treibhausgasemissionen zunehmen und die Kohlenstoffspeicherung in den Seesedimenten sinkt.

Ein internationales Forschungsteam hat diese Zusammenhänge nun genauer untersucht und dabei unterwartete Effekte entdeckt.

Das Forschungsprojekt hatte zum Ziel, nicht nur die direkten, sondern auch die indirekten Effekte der Klimaerwärmung zu untersuchen. Im Fokus lagen dabei die Wassertemperaturen und die Treibhausgasproduktion in tieferen Bereichen von Seen.

«Wir wollen nicht an den Grundsätzen der Thermodynamik rütteln. Es bleibt dabei: Die Raten respiratorischer Prozesse sind bei erhöhten Temperaturen grösser», erklärt Professor Moritz Lehmann vom Departement Umweltwissenschaften der Universität Basel. «Doch nicht alle Seen werden sich im Rahmen des Klimawandels erwärmen.»

Erwärmung an der Oberfläche, Abkühlung in der Tiefe

Weltweit erwärmen sich Seen an der Oberfläche. Aufgrund dieser Erwärmung werden die Seen bei gleichzeitiger Überdüngung immer produktiver, was zu einer verstärkten Algenproduktion und Trübung des Seewassers führt.

«Die Folge der Oberflächenwassererwärmung und der abnehmenden Transparenz ist, dass mehr Wärme in den oberen Bereichen der Seen absorbiert wird und die unteren Bereiche thermisch isoliert sind», so Erstautor Dr. Maciej Bartosiewicz vom Departement Umweltwissenschaften der Universität Basel. «Dies kann unter Umständen sogar zur Abkühlung der bodennahen Wassermassen führen.»

Durch die leichte Abkühlung verlangsamen sich die respiratorischen Abbauprozesse von Biomasse im See. Dadurch wird die Kohlenstoffspeicherung in den Sedimenten verstärkt, und die Kohlendioxidproduktion reduziert. Die auf Modellsimulationen beruhenden Ergebnisse deuten darauf hin, dass diese Effekte vor allem in relativ kleinen und flachen Seen von Relevanz sind. Diese machen einen Grossteil der globalen Seeoberfläche aus.

Weniger Kohlendioxid, mehr Methan

Die verstärkte differenzielle Erwärmung der Seen hat noch eine weitere Folge: Aufgrund der starken thermischen Schichtung werden die tieferen Wasserlagen schlechter durchmischt und kaum «belüftet», was zu länger anhaltenden anoxischen Bedingungen führen kann. Unter diesen Voraussetzungen setzen Fermentierungsprozesse in den Sedimenten verstärkt Methan frei.

«Unter dem Strich nimmt also das Treibhausgaspotential von Seen mit der Erderwärmung wie erwartet zu. Dies hat aber weniger mit der Erwärmung direkt zu tun als mit zunehmender Sauerstoffarmut in den Tiefen dieser Seen», fasst Bartosiewicz zusammen.
Die Studie ist in Zusammenarbeit mit der Université de Montreal sowie dem Centre Eau Terre Environnement, Institut National de la Recherche Scientifique in Quebec entstanden.

Prof. Dr. Moritz Lehmann, Dr. Maciej Bartosiewicz, Universität Basel, Departement Umweltwissenschaften, Tel. +41 61 207 36 16, E-Mail: moritz.lehmann@unibas.ch

Bartosiewicz, M., A. Przytulska, J.-F. Lapierre, I. Laurion, M. F. Lehmann and R. Maranger
Hot tops, cold bottoms: Synergistic climate warming and shielding effects increase carbon burial in lakes.
Limnology and Oceanography Letters (2019), doi: 10.1002/lol2.10117

https://aslopubs.onlinelibrary.wiley.com/doi/full/10.1002/lol2.10117

Media Contact

Iris Mickein Universität Basel

Weitere Informationen:

http://www.unibas.ch

Alle Nachrichten aus der Kategorie: Biowissenschaften Chemie

Der innovations-report bietet im Bereich der "Life Sciences" Berichte und Artikel über Anwendungen und wissenschaftliche Erkenntnisse der modernen Biologie, der Chemie und der Humanmedizin.

Unter anderem finden Sie Wissenswertes aus den Teilbereichen: Bakteriologie, Biochemie, Bionik, Bioinformatik, Biophysik, Biotechnologie, Genetik, Geobotanik, Humanbiologie, Meeresbiologie, Mikrobiologie, Molekularbiologie, Zellbiologie, Zoologie, Bioanorganische Chemie, Mikrochemie und Umweltchemie.

Zurück zur Startseite

Kommentare (0)

Schreiben Sie einen Kommentar

Neueste Beiträge

Wie die Galvanotechnik durch Digitalisierung effizient wird

SurfaceTechnology GERMANY… Digitalisierung und Hartverchromung aus Chrom(III)-Elektrolyten: Das sind die beiden großen Themen, mit denen sich Forscherinnen und Forscher von der Abteilung Galvanotechnik am Fraunhofer IPA derzeit beschäftigen. Ihre Erkenntnisse…

Ersatz für Tierversuche – jetzt ganz ohne Tierleid

Erstes Gewebe-Modell der Leber völlig ohne Materialien tierischer Herkunft hergestellt. Wissenschaftler*innen der TU Berlin haben mit Hilfe von 3D-Biodruck erstmals ein Modell der Leber aus menschlichen Zellen hergestellt, ohne dabei…

Neue Wege zur mentalen Gesundheit

Magnetspule am Kopf sorgt für antidepressive Effekte… In der Klinik und Poliklinik für Psychiatrie und Psychotherapie am Universitätsklinikum Bonn (UKB) wird derzeit eine Studie zur Erforschung der antidepressiven Wirkung einer…

Partner & Förderer