Neue Materialien: Strahlendes Weiß ohne Pigmente

Nach dem Vorbild des weißen Käfers Cyphochilus insulanus erzeugt ein nanostrukturierter Polymerfilm eine strahlend weiße Beschichtung. (Foto: Julia Syurik, KIT) Julia Syurik, KIT

Eine strahlend weiße Oberfläche lässt Möbel und andere Gegenstände sauber, hell und modern wirken. Bislang ist Titandioxid das Standardpigment, um Lacke, Farben und Kunststoffe, aber auch Kosmetika, Lebensmittel, Kaugummi oder Tabletten Weiß zu färben.

Das Pigment steht jedoch in der Kritik. „Titandioxid hat einen sehr hohen Brechungsindex, es reflektiert einfallendes Licht fast vollständig, hat jedoch den Nachteil, dass sich seine Partikel nicht abbauen und dadurch auf Dauer die Umwelt belasten“, sagt Professor Hendrik Hölscher vom Institut für Mikrostrukturtechnik (IMT) des KIT. Zudem gibt es Bedenken, dass Titandioxid möglicherweise gesundheitsschädlich sein könnte.

„Wir umgehen die Verwendung von umwelt- und gesundheitsschädlichen Pigmenten, indem wir poröse Polymerstrukturen mit vergleichbar hoher Streuung erzeugen“, so Hölscher. Inspiriert wurden er und sein Team von dem weißen Käfer Cyphochilus insulanus, dessen Schuppen dank einer speziellen Nanostruktur seines Chitinpanzers weiß erscheinen.

„Nach diesem Vorbild stellen wir aus Polymeren feste, poröse Nanostrukturen her, die einem Schwamm ähneln“, sagt Hölscher, der am IMT die Forschungsgruppe Biomimetische Oberflächen leitet. Wie die Bläschen von Rasier- oder Badeschaum sorgt auch hier die Struktur für eine Streuung des Lichts, die das Material weiß wirken lässt. Die neue Technik für eine kostengünstige und unbedenkliche weiße Optik eignet sich für verschiedenste Oberflächen.

Umweltfreundliche Materialien – nach dem Vorbild der Natur

„Die mit unserem Verfahren gefertigten Polymerfolien sind extrem dünn, flexibel und leicht, aber dennoch mechanisch stabil und lassen sich industriell auf unterschiedliche Produkte aufbringen“, erläutert der Physiker.

Bei einer Stärke von neun Mikrometern – neun Tausendstel Millimeter – reflektiert die neuentwickelte Polymerfolie mehr als 57 Prozent des einfallenden Lichts. 80 bis 90 Prozent sind bei einer dickeren Folie erreichbar.

Für die Entwicklung wurde die schwammförmige Mikrostruktur auf Acrylglas aufgebracht. Das Verfahren lässt sich jedoch auf viele andere Polymere übertragen. „Neben Folien lassen sich auch ganze Gegenstände entsprechend Weiß färben, wir planen als nächsten Schritt Partikel, zum Beispiel kleine Kügelchen, herzustellen, um sie in andere Materialien einbringen zu können“, so Hölscher.

„Es gibt bereits Anfragen von Firmen, die bestrebt sind, ihre Produkte umweltfreundlicher zu machen.“ Während Ingenieurinnen und Ingenieure häufig Lösungen mit Materialien aus vielen verschiedenen chemischen Elementen entwickelten, beschränke sich die Natur meist auf ein einziges Grundmaterial, das dank einer komplexen dreidimensionalen Struktur interessante mechanische, optische oder physikalisch-chemische Eigenschaften aufweise.

Die Bionik, die sich damit beschäftigt, die Phänomene der Natur zu verstehen und zu imitieren, um sie technisch nutzbar zu machen, führe häufig zu völlig neuen Lösungen – die auf anderem Weg vielleicht nie gefunden worden wären, so der Forscher.

Video „Von Käfern Lernen: Oberflächen nach dem Vorbild der Natur“:
https://media.bibliothek.kit.edu/world/2020/DIVA-2020-197_mp4.mp4

Weitere Informationen:
https://www.sek.kit.edu/downloads/Datenblatt-IMT-bionische-Oberflaechen-de.pdf

Details zum KIT-Zentrum Materialien (in englischer Sprache):
http://www.materials.kit.edu/index.php

Weiterer Kontakt:

Regina Link, Redakteurin/Pressereferentin, Tel.: +49 721 608-21158, E-Mail: regina.link@kit.edu

Als „Die Forschungsuniversität in der Helmholtz-Gemeinschaft“ schafft und vermittelt das KIT Wissen für Gesellschaft und Umwelt. Ziel ist es, zu den globalen Herausforderungen maßgebliche Beiträge in den Feldern Energie, Mobilität und Information zu leisten. Dazu arbeiten rund 9.300 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter auf einer breiten disziplinären Basis in Natur-, Ingenieur-, Wirtschafts- sowie Geistes- und Sozialwissenschaften zusammen. Seine 24.400 Studierenden bereitet das KIT durch ein forschungsorientiertes universitäres Studium auf verantwortungsvolle Aufgaben in Gesellschaft, Wirtschaft und Wissenschaft vor. Die Innovationstätigkeit am KIT schlägt die Brücke zwischen Erkenntnis und Anwendung zum gesellschaftlichen Nutzen, wirtschaftlichen Wohlstand und Erhalt unserer natürlichen Lebensgrundlagen. Das KIT ist eine der deutschen Exzellenzuniversitäten.

Diese Presseinformation ist im Internet abrufbar unter: http://www.sek.kit.edu/presse.php

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Monika Landgraf Karlsruher Institut für Technologie

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