Neue Immun-Strategie gegen Pneumokokken Infektionen

Markus Dudek TWINCORE

Das Immunsystem geht – stark vereinfacht – auf zwei Wegen gegen Eindringlinge vor. Zuerst aktivieren die Krankheitserreger die angeborene Immunantwort. Unsere Immunzellen erkennen deren charakteristische Bauteile von Geburt an.

Die Reaktion darauf dauert meist nur Minuten, so dass die Reaktion des angeborenen Immunsystems Erreger innerhalb kürzester Zeit unschädlich macht – das ist sozusagen eine universelle Reaktion gegen krankmachende Mikroorganismen. Anders die erworbene Immunantwort: Sie wird von unserem Immunsystem erst in den ersten Lebensjahren aufgebaut und stetig erweitert. Jeder Kontakt mit Krankheitserregern hinterlässt Spuren und Erinnerungen im Immunsystem. Impfen ist letztlich nichts anderes, als dem erworbenen Immunsystem eine Erinnerung einzupflanzen.

„Streptococcus pneumoniae ist allerdings leider ein sehr wandelbarer Erreger, so dass die Impfungen z.T. langfristig keinen zuverlässigen Schutz bieten“, sagt Markus Dudek, Doktorand am Institut für Infektionsimmunologie. „Wir verfolgen deshalb den Ansatz, die angeborene Immunität zu stärken, wenn deren Reaktion gegen Pneumokokken nicht ausreicht.“

Die entscheidende Frage, wenn man ein System verstärken möchte ist: wo tut man dies? In diesem Fall fragten sich Markus Dudek und seine Kollegen, welcher spezielle Typ von Immunzellen entscheidend für die erste Abwehr gegen Pneumokokken ist. „Wir wissen, dass Menschen mit einem Gendefekt in dem Adaptermolekül MyD88 sehr anfällig für Streptokokken sind. Das haben wir genutzt und dieses Molekül nur von ausgewählten Zellen produzieren lassen, um zu sehen, in welchen Immunzellen dieser Adapter wichtig für die Abwehr der Pneumokokken ist.“

Wird dieser Adapter aktiviert, veranlasst er die Zelle, in der er sich befindet, die Krankheitserreger mittels Phagozytose oder spezieller Proteine abzutöten – der erste Schritt in der Immunabwehr. „Wir haben beobachtet, dass es für eine vollständige Immunantwort nicht ausreicht, Immunzellen wie Makrophagen und dendritische Zellen über MyD88 zu aktivieren.“

Für die universelle Abwehrreaktion gegen Pneumokokken ist noch ein weiterer Faktor wichtig: Epithelzellen, die die Innenseite der Lunge auskleiden, geben sogenannte Surfactant-Proteine ab. Sie halten über elektrostatische Abstoßung die hauchzarten Lungenbläschen offen. Ohne diese Stoffe würde die Lunge zusammenfallen und verkleben. Gleichzeitig wirken einige dieser Surfactant-Substanzen antimikrobiell und übernehmen damit auch eine wichtige Immunfunktion. Sie binden an die Bakterien, verklumpen sie und schädigen ihre Zellmembran – damit haben Abwehrzellen ein leichtes Spiel.

„Wir haben beobachtet, dass bei Pneumokokkeninfektionen sowohl in alveolaren Makrophagen und dendritischen Zellen als auch in Epithelzellen MyD88 aktiviert werden muss, um eine ausreichende angeborene Immunantwort hervorzurufen“, sagt Markus Dudek.

„Ein Zelltyp allein reicht nicht aus.“
„Mit diesen zwei Erkenntnissen, sind wir einen Schritt bei der Entwicklung von potenziellen Therapieansätzen, die auf dem angeborenen Immunsystem basieren, weitergekommen“, sagt Institutsleiter Tim Sparwasser.

„Können wir beispielsweise bestimmte Surfactant-Substanzen bei akuten Lungenentzündungen mit Pneumokokken als Inhalationsmedikament einsetzen? Oder wie können wir die durch MyD88 angestoßene Aktivierung der Abwehr verstärken, so dass sie ausreicht, um Pneumokokken gleich zu Beginn der Infektion abzuwehren?“ Fragen, denen die Wissenschaftler am TWINCORE in folgenden Projekten nachgehen werden.

Publikation:
Dudek M, Puttur F, Arnold-Schrauf C, Kuhl AA, Holzmann B, Henriques-Normark B, Berod L, Sparwasser T (in press) Lung epithelium and myeloid cells cooperate to clear acute pneumococcal infection. Mucosal Immunol doi: 10.1038/mi.2015.128

Ansprechpartner:
Prof. Dr. Tim Sparwasser, tim.sparwasser(at)twincore.de
Tel: +49 (0) 511 220027-201

Markus Dudek, markus.dudek(at)twincore.de
Tel: +49 (0) 511 220027-215

http://www.twincore.de/institute/infektionsimmunologie/

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